Nicht nur außen herum grün: Im Hilti-Werk Thüringen schont ein ausgeklügeltes Energiesystem nicht nur das Klima, auch der Arbeitsplatz soll dadurch spürbar angenehmer werden.

Foto: Hilti/Jantscher

"Die Hilti" - der Traum von Bau- und Handwerkern ist "made in Austria". Die hochwertigen Bohr- und Meißelgeräte werden nicht mehr in Liechtenstein, sondern im Vorarlberger Walgau produziert. Voraussetzung für die Umstrukturierung war die Erweiterung des Industriebaus aus den 1970er-Jahren. Den Neu- und Umbau unter ökologischen Kriterien anzugehen lag nahe: Steht doch das Werk idyllisch im Grünen, mit Blick auf Dörfer und Berge des Großen Walsertals.

Das Thüringer Hilti-Team hatte den Ehrgeiz, nicht nur ressourcenschonend zu bauen, sondern gleich "nachhaltig". Schnell war klar, dass man Neuland betrat, erzählt Gesamtprojektleiter Gernot Schubert: "In der Konzeptionsphase mussten wir erkennen, dass zum Thema Nachhaltigkeit im Industriebau in Österreich weder Leitprojekte noch zufriedenstellende Unterlagen zu finden waren." So erarbeiteten Mitarbeiter "mit grünem Herz, ökologischem Fachwissen und ökonomischem Bewusstsein" einen internen Kriterienkatalog, der mittlerweile Gültigkeit für den gesamten Konzern hat.

Energieflussdiagramm

Mit ATP Ingenieure und Architekten fand man die adäquaten Planer. Schubert: "Wir waren sehr fordernde Bauherren, wir wollten nicht nur Energie sparen, sondern Nachhaltigkeit in allen Bereichen." Die Lebenszykluskosten sollten niedrig, das Gebäude recyclebar sein, und die Qualität des Arbeitsplatzes sollte steigen. Schubert: "Und bei all den Ideen mussten wir auch noch den richtigen Maßstab finden."

Am Anfang stand ein Energieflussdiagramm: "Wir wollten wissen, wann wo wie viel Energie benötigt wird, aber auch zur Verfügung steht." Das Ergebnis war ein Energieverbundsystem. Man nutzt nun Erdwärme, Grundwasser und die Abwärme aus der Produktion. Der Tank für die Sprinkleranlage wurde ebenso zum Wärmepuffer wie der Hallenboden. "Der Boden wirkt nun wie ein 7000 Quadratmeter großer Wärmespeicher, ähnlich einem Kachelofen im Winter", macht Schubert die Betonkern-Aktivierung anschaulich. Für den Luft-Erdwärme-Tauscher wurden sechs Kilometer Rohrleitungen verlegt, ein Grundwasserbrunnen versorgt zudem die Kühlung mit Wasser oder zu Heizzwecken die Wärmepumpe.

Gut für Klima und Menschen 

Die ausgeklügelte Energieversorgung spart 210 Tonnen CO2 pro Jahr und schafft angenehmes Raumklima. "Zugluft in der Produktion gibt es nicht mehr", nennt Schubert einen fühlbaren Effekt. Die Vorgaben blendfreies Tageslicht und optimale Ausleuchtung lösten die Planer durch ein umlaufendes Fensterband und Fenster in den Scheddächern, die den Blick auf Himmel und Berglandschaft freigeben.

Transparenz im Raum verhindert optische Barrieren zwischen Produktion und Büro. Die neue Durchlässigkeit ermögliche Blickkontakt und schnelle, informelle Kommunikation, sagt Schubert. Außerdem sei sie ein Symbol für die Einheit von Büro und Produktion. Helle Böden und unbehandelte Holzdecken sind weitere Wohlfühleffekte für die Produzierenden. Evaluiert wurden diese Effekte auf die rund 500 Beschäftigten noch nicht.

Einer umfassenden Überprüfung wurde der Bau (18.000 Quadratmeter, 30 Millionen Euro Investition) mit der Zertifizierung durch die Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) unterzogen. Man bekam als erster österreichischer Industriebetrieb das Nachhaltigkeitszertifikat. Da die ÖGNI-Kriterien bei der Planung noch nicht zur Verfügung standen, wurde das Projekt nachträglich geprüft. Schuberts Rat für Bauherren aus der Industrie: "Schon in der Konzeptphase den ÖGNI-Fragenkatalog in die Hand nehmen, mit wenig Aufwand lassen sich dadurch sinnvolle, nachhaltige Lösungen finden." Die Mühe lohnt sich, so erhielt das Werk Thüringen bereits mehrere, auch internationale Preise. (Jutta Berger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27. Februar 2011)