"'Vollidiot' sagt man nicht", erklärte mir Nicola mit ernstem Blick und erhobenen Zeigefinger. Nicola ist fast drei Jahre alt, aus meiner Sicht hauptberuflich Nichte, an diesem Tag fuhr sie mir in einem Alfa Romeo Giulietta bei.

Nicola kann sich bereits erstaunlich präzise artikulieren, "Alfa Tschulietta" sagt sie fehlerlos und akzentfrei. Zugegeben, manchmal quasselt sie auch einfach darauflos, da versteht man gar nichts. Aber diesmal wies sie mich unmissverständlich zurecht: "'Vollidiot' sagt man nicht." Vor uns hatte sich eben ein Vollidiot reingeschnitten. Entschuldigung: Ein schlimmer Mann hatte uns die Vorfahrt genommen, der hatte es offenbar sehr eilig.

Der Kindersitz war am Beifahrersitz montiert, Nicola blickte mich streng an, quasi auf Augenhöhe. Der Papa, so erfuhr ich dann, sagt auch immer "Vollidiot" oder "Trottel" und noch viel schlimmere Sachen. Die Mama übrigens auch. Aber nur beim Autofahren.

Ich gelobte Besserung, wir gingen noch ein paar Worte und Wendungen durch, die man keineswegs sagen durfte. "Scheiße" sagt man nicht, ganz pfui, auch nicht "Depperter" oder "Bist du deppert?!" Wir waren uns einig: Schön sprechen!

Am Abend dieses Tages spielten wir noch ein wenig, Nicola schwang sich in der Wohnung auf ihr kleines Auto, erzählte mir, sie müsse jetzt noch einkaufen gehen, und fuhr ums Bett herum. Dann wischte sie sich in Manier ihrer Mutter die Haare aus dem Gesicht, drückte mehrfach die rote Plastikhupe, "Quietsch, quietsch", und schrie lauthals: "Fack! Fack!" Mit großen Augen erklärte sie mir: "Parkplatzsuchen." (Michael Völker/DER STANDARD/Automobil/25.02.2011)