Auftakt zum Steiner-Jahr: Cellist Rudolf Leopold interpretiert die Musik eines Zeitgenossen Rudolf Steiners - eine Solosonate von Paul Hindemith.

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Wien - Der Sonderzug ist unter der Bezeichnung "RS 150" in Europa unterwegs. In jedem Bahnhof, in dem dieser Zug Station macht, fällt er unweigerlich auf - durch Performances am Bahnhof. Etwa heute Montag am Wiener Westbahnhof, wo ein Chor von Steiner-Schülern die Abfahrt musikalisch begleiten wird.

Der "Rudolf-Steiner-Express" hatte 199 Festgäste von Deutschland über Steiners Geburtsort Kraljevec nach Wien gebracht, wo am Sonntag das internationale Steiner-Jahr exakt zu seinem 150. Geburtstag in der Nationalbibliothek eröffnet wurde. Der offizielle Auftakt zu mehr als 200 weiteren Veranstaltungen in 25 Ländern.

Ein Auftakt, zu dem der Oxford-Professor und Leiter des Rudolf-Steiner-Archivs am Goetheanum, Walter Kugler, Ludwig Wittgenstein zitierte: "Man muss nur viel verrückter denken, als die Philosophen, um ihre Probleme lösen zu können." Denn genau das passe zur Rudolf Steiner (1861-1925), dem Begründer der Anthroposophie, der Waldorfschulen, der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, Impulsgeber für Medizin, Kunst, Architektur und Religion, der "nicht an der Zentralachse angesiedelt ist, wo sich alle drängeln - sondern daneben. Aber das kann auch ein Zentrum sein - je nach Standpunkt."

Steiners Abgerücktheit vom Mainstream hatte schon im Vorfeld des 150. Geburtstages wieder einmal eine kontroversielle Diskussion in den Medien ausgelöst. Doch für Kugler "mangelt's da etwas an Humor". Ist Steiners Gedanken- und Geisteswelt Wissenschaft? "Alles, was aufregt und erregt, sollte einen Preis bekommen, in der Wissenschaft aufgenommen zu werden." Steiners Werk sei jedenfalls spannender und inhaltsvoller "als die derzeitige Wissenschaftsdiskussion in Deutschland - über eine Doktorarbeit".

Zentrales Anliegen der nun anstehenden Veranstaltungen sei es, "Rudolf Steiners Beitrag für die Menschlichkeit und Menschheit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen", erklärte Wolfgang Schaffer von der Anthroposophischen Gesellschaft in Österreich. Seien es nun Vorträge wie jener Walter Kuglers am Sonntagnachmittag im Unteren Belvedere - wo in der Ausstellung "Dynamik! Kubismus / Futurismus / Kinetismus" auch drei Werke Steiners ausgestellt sind.

Oder eine Reihe von Lesungen im Café Griensteidl, dem damaligen Stammcafé Steiners. Geplant sind auch weitere Vorträge an wissenschaftlichen Einrichtungen - etwa an der Technischen Universität, an der Steiner studiert hatte.

Höhepunkt der Veranstaltungen in Österreich wird die Ausstellung "Rudolf Steiner - Die Alchemie des Alltags" sein, die vom 22. Juni bis 25. September im MAK gastieren wird: Eine Retrospektive zu Steiners künstlerischem und architektonischem Werk mit über 200 Exponaten. Nahezu zeitgleich, vom 16. Juni bis zum 12. September, wird der zweite Teil dieser deutschen Doppelausstellung im Prager DOX Centre for Contemporary Art zu sehen sein: "Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart".

Programmatisch zum Austausch im Gedenkjahr wurde in der Nationalbibliothek auch das im Böhlau-Verlag erschienene Buch "Wiener Dialoge" präsentiert, in dem erstmals der spezifisch österreichische Weg der Waldorfbewegung umfassend dokumentiert wird. Und aus dem ebenfalls neu erschienenen Reiseführer "Rudolf Steiner in Wien" las Autor Wolfgang Zumdick - eine Anekdote wonach in Steiners Wiener Wohnung über Nacht der Schreibtisch mitsamt unzähligen Manuskripten in Flammen aufgegangen war. Was man zu diesem Zeitpunkt in der Nationalbibliothek nicht wusste: In der Nacht zum Sonntag war vermutlich wegen eines technischen Gebrechens in der Steiner-Schule in Wien-Mauer im Heizungsraum ein Brand ausgebrochen. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 28.02.2011)