Schon im Fall Tunesiens, Ägyptens und Libyens hätte vor wenigen Wochen kaum jemand gedacht, dass die dortigen Regime jemals ernsthaft in Bedrängnis geraten, geschweige denn fallen könnten. Heute scheint in weiteren arabischen Ländern, im Iran und selbst in China alles möglich. Das wittern auch die Machthaber.

Der saudische König hat zuletzt ein paar Dutzend Milliarden Dollar herausgerückt, um seine Bürger damit ruhigzustellen. Und das Regime in Peking machte am Wochenende mit seltener Selbstkritik von sich reden. Plötzlich, nach Jahren des unerbittlichen Wachstumskurses, will Premier Wen Jiabao den Preisanstieg eindämmen, Partei und den Staatsapparat von Korruption befreien. Das mag eine Beruhigungspille gegen das Widerstands-Virus sein, sicher. Aber es ist erstaunlich, dass sich die kommunistische Führung genötigt fühlt, diese überhaupt hervorzuholen.

Supermacht-Aspirant China ist im Inneren viel schwächer, als viele glauben: Umweltzerstörung, ethnische Spannungen und eine soziale Kluft, die ihresgleichen sucht - Millionen Spitzeln und Sicherheitskräften fällt es immer schwerer, daraus gespeiste Unzufriedenheit zu unterdrücken. Und je wohlhabender das Land wird, desto "gefährlicher" wird es für Peking: Politologen haben errechnet, dass in Diktaturen Aufstände für Freiheit und Demokratie ab einem Pro-Kopf-Einkommen von 8000 bis 10.000 Dollar wahrscheinlich werden. Chinas lag 2009 bei 6567 Dollar. (Christoph Prantner, STANDARD-Printausgabe, 28.02.2011)