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Mohammed Ghannouchi

Foto: REUTERS/Zoubier Souissi/Files

Nach dem Rücktritt des tunesischen Übergangsregierungschefs Mohammed Ghannouchi ist Beji Caid Essebsi zu seinem Nachfolger ernannt worden. Diese Entscheidung gab die Präsidentschaft am Sonntag in der Hauptstadt Tunis bekannt. Essebsi hatte in der Vergangenheit bereits einen Ministerposten inne. Ghannouchi hatte zuvor seinen Rücktritt erklärt und damit die Konsequenzen aus den anhaltenden Protesten gegen seine Übergangsregierung gezogen.

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Der Chef der tunesischen Übergangsregierung, Mohammed Ghannouchi, ist am Sonntag in Tunis zurückgetreten. Ghannouchi hatte über elf Jahre lang unter dem vor einem Monat gestürzten Diktator Zine El Abidine Ben Ali als Regierungschef gedient. Der Rücktritt erfolgte nach Massenprotesten gegen ihn am Wochenende. "Verschwinde, Ghannouchi!", riefen über 100.000 Demonstranten, die aus dem ganzen Land in die Hauptstadt gereist waren. Ghannouchi beschuldigte "verschiedene Parteien", ihn nicht arbeiten zu lassen. "Ich bin nicht bereit, Entscheidungen zu treffen, die zu Toten führen", erklärte er den Grund für seinen Abgang und zog damit die Konsequenz aus einem erneuten Aufflammen der Gewalt.

Tunesiens Polizei war das ganze Wochenende über gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Am Samstag kamen dabei in Tunis drei Menschen ums Leben. Ein Dutzend Demonstranten wurde zum Teil schwer verletzt, über 100 wurden festgenommen. Auch im Landesinneren, in der Stadt Kasserine, die bereits vor dem Sturz des Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali unter starker Repression litt, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen von Polizei und Ghannouchi-Gegnern.

Der erneute Ausbruch der Gewalt begann am Freitag kurz vor 19 Uhr. Völlig überraschend griff die Polizei eine Zehntausende zählende Demonstration auf der Avenue Habib Bourguiba an. Vor dem Innenministerium gab die Polizei Warnschüsse ab und schoss Tränengas in die Demonstration, die bis dahin festliche Züge hatte. Weit über 100.000 Menschen waren stundenlang durch die Stadt gezogen, um die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung einzufordern.

Ghannouchi kündigte an, dass die Regierung noch vor Mitte Juli erste freie Wahlen abgehalten werden sollen. Ob es sich dabei um Parlamentswahlen handeln wird - wie die Demonstranten fordern - oder um Präsidentschaftswahlen - was großen Teile der Bevölkerung aus Angst vor einem neuen starken Mann im Staate ablehnen - ließ er offen.

Gegenüber einer sechsköpfigen Delegation von Bürgerrechtlern unter Leitung der bekannten Oppositionellen Sihem Bensedrine versprach Ghannouchi, dass die Übergangsregieurng noch vor dem 1. März, also diesen Dienstag, zur Frage einer verfassungsgebenden Versammlung Stellung beziehen zu wollen. (Reiner Wandler aus Tunis, STANDARD-Printausgabe, 28.02.2011)