Tunis - Bei Demonstrationen in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Ländern haben am Freitag zehntausende Menschen gegen ihre Regierungen protestiert. In Tunis gaben bei der größten Demonstration seit dem Sturz von Präsident Zine El Abidine Ben Ali Sicherheitskräfte Warnschüsse ab, als mehr als 100.000 Demonstranten den Rücktritt der Übergangsregierung von Mohammed Ghannouchi forderten. Weitere Protestkundgebungen fanden in Kairo, im Jemen und in Jordanien statt.

Im Zentrum von Tunis strömten nach Polizeiangaben mehr als 100.000 Regierungsgegner auf dem Kasbah-Platz und auf der Prachtstraße Habib Bourguiba zusammen. Nach Angaben des Roten Halbmondes handelte es sich um die größte Demonstration seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Ben Ali am 14. Jänner. "Ghannouchi, tritt zurück" und "Revolution bis zum Sieg", riefen die Demonstranten. Zu der Kundgebung an einem tunesischen Feiertag war im Online-Netzwerk Facebook aufgerufen worden.

Tränengas und Warnschüsse

Vor dem Innenministerium setzte die Polizei Tränengas gegen Steine werfende Demonstranten ein. Außerdem waren Dutzende Warnschüsse zu hören, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten.

Ghannouchi hatte schon unter Ben Ali als Regierungschef gedient. Nach dem Sturz des Staatschefs bildete er mit Vertretern der Opposition eine Übergangsregierung, die er auf Druck der Bevölkerung Ende Januar erneut umbildete. Der Ministerrat kündigte am Freitag nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur TAP "Wahlen spätestens Mitte Juli" an, die Konsultationen dafür sollten bis Mitte März abgeschlossen werden.

Ob es sich um Parlaments- oder Präsidentschaftswahlen handelt, wurde nicht mitgeteilt. Ohnehin ist festgelegt, dass nach Ben Alis Sturz Mitte Jänner Wahlen innerhalb von sechs Monaten abgehalten werden müssen.

Der Aufstand gegen die autoritären Führungen in der arabischen Welt hatte in Tunesien seinen Anfang genommen. Unter dem Druck der Proteste erklärte vor zwei Wochen auch Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak seinen Rücktritt. In der Hauptstadt Kairo demonstrierten am Freitag auf dem Tahrir-Platz tausende Menschen für den Rücktritt der erst kürzlich umgebildeten Regierung von Ministerpräsident Ahmed Shafik.

Im Jemen beteiligten sich am Freitag in mehreren Städten zehntausende Menschen an gemeinsamen Gebeten. Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei im südlichen Aden wurde nach Angaben von Rettungskräften ein 17-Jähriger getötet, etwa 20 weitere Demonstranten wurden verletzt.

In der jordanischen Hauptstadt Amman demonstrierten tausende Menschen für Verfassungsreformen: Die Organisatoren sprachen von 10.000, die Polizei von 6000 Teilnehmern. Weitere knapp 2000 Demonstranten versammelten sich in anderen Landesteilen. (APA)