Na, da wird sich der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi aber fürchten: Nach tagelangen Debatten plant die EU gleich mehrere Sanktionen gegen ihn und seinen Clan. Im Raum stehen Sperren von Konten, ein Einreiseverbot für Familienmitglieder und ein Embargo für Lieferungen von Waffen und Gütern, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können.

Aber so schnell wird ohnehin nicht gehandelt: EU-Beschlüsse werden erst im Laufe der nächsten Woche erwartet. Falls nicht doch wieder Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi ein Veto einlegt, um seinen libyschen Freund zu schützen. Viele scheinen zu hoffen, dass sich bis dahin das libysche Problem von selbst gelöst hat.

Die Vereinten Nationen haben sich bisher auch nur zu einer Erklärung durchringen können, in der Gaddafi zum sofortigen Stopp der Gewalt gegen Demonstranten aufgefordert wurde. Das war am Dienstag. Was diese Drohung des UN-Sicherheitsrats genützt hat, konnte jeder in den vergangenen Tagen verfolgen.

In den vergangenen Jahrzehnten hatte Gaddafi den Ruf eines exzentrischen Führers, er galt als Art Hofnarr auf der Weltbühne, über den man sich samt Entourage amüsiert hat. Viele Staats- und Regierungschefs pilgerten in sein Zelt, er wurde nicht nur in Italien mit allen Ehren empfangen. Und es wurden Geschäfte mit ihm abgeschlossen. Gaddafi wurde auch Geld dafür gegeben, dass sich möglichst wenige Flüchtlinge von Afrika Richtung Europa aufmachen können.

Während die EU-Gremien über ein Embargo für Waffenlieferungen beraten, sind die Waffen längst dort. Gaddafi setzt Bomben, Granaten und Gewehrkugeln aus europäischer Produktion gegen seine Landsleute ein. Ein Beschluss zum jetzigen Zeitpunkt ist pharisäerhaft, rettet kein Menschenleben - mehr.

Allein 2009 wurden in der EU Exportlizenzen für 344 Millionen Euro erteilt. Italien und Malta sind laut dem EU-Jahresbericht die größten europäischen Waffenlieferanten an Libyen, gefolgt von Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Um mehr als 53Millionen Euro wurden allein aus Deutschland Geräte geliefert, um Mobiltelefonnetze, Internet und GPS lahmzulegen. Diese Geräte sind jetzt für das Gaddafi-Regime recht nützlich, um die Kommunikation zwischen den Demonstranten und die Information über die Vorgänge im Lande nach draußen zu blockieren. Dass sich in der EU insbesondere Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle für Sanktionen einsetzt und Großbritannien sowie Frankreich einen Resolutionsentwurf für den UN-Sicherheitsrat vorgelegt haben, zeugt von schlechtem Gewissen.

In Wien ist nicht einmal das vorhanden. Die Beziehungen zwischen Österreich und Libyen sind seit Bruno Kreiskys Zeiten bestens, Gaddafi-Sohn Saif al-Islam war gerngesehener Gast. Nicht nur Jörg Haider und seine Frau pflegten Kontakte zum Gaddafi-Clan, auch österreichische Politiker und Wirtschaftsbosse dienten sich an. Während der Zeit der US-Sanktionen in Zusammenhang mit der Verwicklung Libyens in das Lockerbie-Attentat brach Österreich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern die Wirtschaftsbeziehungen nicht ab. So blieb die OMV als einer von nur sieben Ölkonzernen im Land.

Im Umgang mit Gaddafi zeigt sich die Scheinheiligkeit Europas und der Weltgemeinschaft. (Alexandra Föderl-Schmid /DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2011)