Zu reden gäbe es eigentlich genug. Doch Nicolas Sarkozy, der Anführer der Türkei-Beitrittsverhinderer in der EU, beschränkte seinen Arbeitsbesuch in Ankara auf das Nötigste. "Wir wünschten, er würde länger bleiben, damit er ein bisschen mehr von der Türkei sieht, die er nicht sehr gut kennt", meinte ein hochrangiger türkischer Diplomat vor dem Besuch des französischen Staatschefs am Freitag.

"Wir haben Sarkozy mehrmals gewarnt", polterte Regierungschef Tayyip Erdogan in einem Fernsehinterview. Die Haltung des französischen Präsidenten gegenüber der Türkei sei völlig falsch. Erdogan warf Sarkozy in dem Interview auch vor, er sage öffentlich anderes als im direkten Gespräch. Sarkozy bekräftigte wiederum bei einer Pressekonferenz mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül seine Position: Für die Türkei könne auch eine andere Form als die Vollmitgliedschaft in der EU gefunden werden.

Türkei will jetzt Visafreiheit

Weil die Beitrittsgespräche praktisch stillstehen, konzentriert sich die türkische Regierung nun auf die Visafrage. Sarkozy, der als derzeitiger Präsident der Staatengruppe der G-20, nach Ankara kam, wurde bei seinen Gesprächen mit Erdogan und Gül auch mit der Forderung nach dem Ende des Visazwangs für Türken konfrontiert. Der langjährige Streit ist jetzt an einem entscheidenden Punkt: Die EU-Innenminister nahmen letzten Donnerstag das Abkommen zwischen Brüssel und Ankara über die Rückführung von Flüchtlingen an. Als Gegenleistung will die Türkei die Reisefreiheit für ihre Bürger. Darüber beginnen nächste Woche Gespräche; Frankreich und Deutschland dürften ihr Veto einlegen.

Neue Gerichtsurteile in den Niederlanden und Deutschland untergraben allerdings die politische Front der Neinsager. Die Richter stellten fest, dass türkische Bürger für bis zu drei Monate ohne Aufenthaltstitel einreisen können. Erdogan tritt am Wochenende in Düsseldorf vor Türken auf und eröffnet mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Cebit-Messe. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 26.2.2011)