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In allen Altersgruppen sinken die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zu Vorjahr - allein bei älteren Arbeitslosen scheint der Aufschwung nicht anzukommen.

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"Maßnahme - das klingt nach Gefängnis", sagt Gerhard Frey und setzt nach: "Aber es war besser, als ich es mir vorgestellt habe." Mit "Maßnahme" meint der 52-jährige gelernte Tierpfleger die 50+ Kurse des Arbeitsmarktservice (AMS). Dort sollen ältere Arbeitslose wieder "jobfit" und "jobready", wie es im Jargon der Trainer heißt, gemacht werden.

Im Klartext: Sie sollen einen Arbeitsplatz finden. Oder zumindest die Motivation, wieder nach einem zu suchen.

Nur zehn Prozent der Teilnehmer gelingt es direkt im Anschluss an den Kurs wieder einen Job zu bekommen, sagt Johann Reiter, der Standortleiter des BEST-Kurszentrums im vierzehnten Wiener Gemeindebezirk, wo insgesamt 81 Trainer Kurse für rund 3.000 Personen abhalten - rund ein Drittel davon sind die 50+ Maßnahmen. Aber die Kurse bringen was, fügt Reiter an: Ohne Intervention würden nur vier Prozent wieder einen Arbeitsplatz finden. Das "BEST - Institut für berufsbezogene Weiterbildungen" ist einer der Anbieter, der im Auftrag des AMS 50+ Kurse abhält.

Mehr ältere Arbeitslose

Die tristen Aussichten für über 50-Jährige am Arbeitsmarkt spiegeln sich auch in den aktuellen Arbeitslosenzahlen wider. Während in allen Altersschichten die Arbeitslosenzahl im Vergleich zum Vorjahr zurückgeht, steigt sie bei den älteren Arbeitnehmern weiter an: Im Jänner waren laut Arbeitsmarktservice (AMS) österreichweit 65.626 Personen, die älter als 50 Jahre sind, arbeitslos. Das ist fast ein Prozent mehr als im Jänner des Vorjahres.

Doch die Teilnehmer der 50+ Kurse sind, obwohl in einer ähnlichen Altersgruppe, keine heterogene Masse. Dort sitzen Leute in Schulungen, die zum Teil Jahrzehnte im selben Betrieb gearbeitet haben, vielleicht eine Führungsposition hatten und jetzt zum ersten Mal arbeitslos sind. Oder auch motivierte Leute, die sich noch lang nicht zum alten Eisen zählen, deren Selbstwertgefühl aber nach der -zigsten Ablehnung kaum mehr vorhanden ist.

Lebensberatung und Motivation

Die Aufgabe der Trainerinnen und Trainer in den Kursen ist gewaltig: Es ist eine Herausforderung, Menschen für Bewerbungen zu motivieren, wenn sich ein "Mich braucht niemand"-Gefühl eingestellt hat. Rund vierzig Prozent der 50+ Teilnehmer bei BEST sind schon seit mehr als fünf Jahren ohne Arbeitsplatz. Und zum Teil ist hier psychosoziale Lebensberatung eher gefragt als Bewerbungstraining oder Zusatzqualifikationen.

Wenn Menschen mit dem Arbeitsplatz auch den Taktgeber des Alltags verlieren, kaum mehr von der Couch aufstehen oder alkoholkrank sind, braucht es mehr als einen fünfwöchigen Kurs, wie sie in den Unterrichtsräumen von BEST in der Flachgasse im vierzehnten Wiener Gemeindebezirk stattfinden.

Stärken erkennen

In einem weiß getünchten Raum mit zwei Computern und wenigen Grünpflanzen sitzen fünf Frauen und ein Mann hinter Schreibtischen aus hellem Holz. Die Atmosphäre ähnelt einem Klassenzimmer - allein: die Schüler sind älter. Heutige Themen: Eigenwahrnehmung, Stärken erkennen. Vor den Bänken erklären zwei Trainerinnen mit einem auf die Flipchart gemalten Raster das "Johari-Fenster", das die Unterschiede zwischen Selbst- und Eigenwahrnehmung illustrieren soll.

Später soll jeder Teilnehmer eine positive Eigenschaft nennen. Die erste Frau fühlt sich überrumpelt und schweigt. Aber langsam und zögerlich fallen die ersten Worte: Improvisation, Kommunikation, anpassungsfähig. Immer wieder schweifen die Teilnehmer ab, erzählen aus ihrem Alltag, ihren persönlichen Erlebnissen im Beruf, ihren Wünschen. Dann gilt es für die Trainerinnen die Balance zu finden, zwischen dem Mitteilungsbedürfnis der Kursteilnehmer und dem Stundenprogramm.

"Mir hat's gefallen"

An das Johari-Fenster kann sich auch Gerhard Frey noch erinnern: "Mit dieser Methode ist mir klar geworden, dass ich zu viel Druck mache. Ich muss mich - auch bei Bewerbungen - zurücknehmen." Die Anregung, in den Kurs zu gehen, ist vom AMS gekommen. "Mir hat's gefallen und ich hab viel mitnehmen können", sagt Frey. "Das war wenigstens nicht so ein Idiotenkurs, wo man schwimmt und im Park spazieren geht oder Bälle hin und her schupft."

Noch bis Anfang Juli ist Frey bei wienwork beschäftigt, einem gemeinnützigen Unternehmen, das bei der Integration von Arbeitnehmern in den ersten Arbeitsmarkt unterstützen soll. Dort arbeitet er in der Copy-Service- und Versandstelle. Er kuvertiert, verpackt Sendungen oder macht die Post fertig. Die Arbeit gefällt ihm, die Stimmung am Arbeitsplatz auch. Aber manchmal ist seine Aufgabe ihm zu eintönig. Er sucht was, wo er seinen Kopf mehr brauchen kann.

Vor der Stelle bei wienwork war er eine Zeit lang arbeitslos, davor hat er bei einem Würstelstand im zehnten Wiener Gemeindebezirk Nachtschichten geschoben. Frey will arbeiten, aber neben seinem Alter ist auch sein Gesundheitszustand ein Problem bei der Arbeitssuche. Weil er Probleme mit Hüfte und Wirbelsäule hat, kann er einfach nicht mehr alles machen.

Aber es gab Phasen, da "hab ich keine Zeitung mehr angeschaut. Ich war frustriert, aber ich hab nicht resigniert." BEST und die 50+ Maßnahme war diesbezüglich hilfreich, sagt Frey. "Die haben mich zum Weitermachen motiviert."

Zum ersten Mal arbeitslos

"Oft haben die Leute in den 50+ Kursen 40 Jahre lang in einer Firma gearbeitet. Arbeitslosigkeit war für sie etwas Befremdliches und Betroffene wurden geringgeschätzt. Und jetzt sind sie zum ersten Mal selber betroffen", sagt Gabriele Zeiner, Psychologin und Trainerin bei BEST.

"Wer noch nicht lange vom Arbeitsmarkt weg ist, hat bessere Chancen, wieder einen Job zu finden", ergänzt Daniela Reichhardt, ebenfalls Trainerin bei BEST - und sie ergänzt: "Wenn man drei bis vier Jahre weg ist, leidet der Selbstwert massiv." Es gehe darum, die Leute wieder zu motivieren.

Zeiner und Reichhardt glauben daran, dass es Jobs für ältere Arbeitnehmer gibt. Die Unternehmer müssten nur beginnen zu verstehen, dass die Erfahrungen, die diese Menschen mitbringen, wertvoll sind und sie davon profitieren können.

Die positive Stimmung der Trainerinnen spiegelt leider nicht immer die Realität der Bewerber wider. "Zwischen 15 und 20 Prozent finden innerhalb von drei Monaten nach Ende des Kurses einen Arbeitsplatz", sagt Johannes Simetsberger, beim AMS Wien für 50+ Maßnahmen verantwortlich. Warum gerade Ältere extreme Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden, erklärt Simetsberger mit mehreren Faktoren: Zum einen hätten Arbeitssuchende ohnehin keine Lobby, dann kommt noch das Alter als erschwerender Faktor dazu. Simetsberger: "Das ist ein gesellschaftspolitisches Problem. 15 bis 20 Prozent sind da ein Anfang."

AMS diene Wirtschaftsinteressen

Eine langjährige Trainerin, die ihren Namen lieber nicht veröffentlicht wissen will, glaubt nicht mehr, dass das AMS mit dem Maßnahmenangebot das Wohlergehen der Arbeitslosen und deren Integration in den Arbeitsmarkt im Sinn hat. Das AMS diene eher den Interessen der Wirtschaft. Das sei derzeit ablesbar an den verstärkten Bemühungen bei der Qualifikation Jugendlicher.

Die älteren Arbeitslosen würden oft auf der Strecke bleiben. Ein Kursteilnehmer habe das ihr gegenüber einmal folgendermaßen zusammengefasst: "Früher waren die Arbeitslosen im Wirtshaus, jetzt machen sie einen Kurs." (mka, derStandard.at, 28.2.2011)