Herbe Kritik der USA an Italien: Die Aufdeckerwebsite Wikileaks hat ein Memo aus dem Jahr 2009 veröffentlicht, in dem die damals in Rom stationierte US-Diplomatin Elizabeth L. Dibble die Flüchtlingspolitik der italienischen Regierung von Silvio Berlusconi als "gescheitert" darstellt. Um das Versagen der Regierung zu vertuschen, habe Rom eine Hetzkampagne gegen Ausländer gestartet, zitieren La Repubblica und L'Espresso aus dem Dokument.

Obwohl die Terrorgefahr als gering eingestuft worden sei und die Kriminalitätsrate in Großstädten rückläufig war, stellten Innenminister Roberto Maroni, Premier Berlusconi und die von ihm kontrollierten Medien "in unablässiger, übertriebener und irreführender Weise eine Verbindung zwischen Kriminalität, Terrorismus und illegaler Immigration her" , wird Dibble zitiert.

Tatsächlich machten die Bootsflüchtlinge aus Nordafrika im Jahr 2009 nur 15 Prozent der illegalen Einwanderungen aus, fast zwei Drittel seien hingegen auf unspektakuläre Weise zu Lande, Luft oder Wasser ins Land gekommen. Deren Aufenthaltsgenehmigung sei einfach abgelaufen, und die Beamten seien überfordert beim Sanktionieren. Besonders problematisch seien das Budget und die Infrastruktur: Italien verfüge für zehntausende Einwanderer bloß über 3000 Unterkunftsplätze. Viele können verschwinden, wohl auch deshalb wurden von über 70.000 Illegalen bloß 24.000 abgeschoben. Zudem mache Rom die EU zum Sündenbock, so Dibble: Man sei im Stich gelassen worden, weshalb man sich mit Libyen habe arrangieren müssen.

Das Zögern bei den EU-Sanktionen, mit dem Italien jetzt auffällt, könnte also auch mit der Befürchtung zusammenhängen, dass ein "biblischer Exodus" - so Außenminister Franco Frattini - zum endgültigen Kollaps der römischen Flüchtlingspolitik führt. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2011)