Wien - Gift, Sex und Koloraturen - und alles live dreidimensional aus dem Fernseher: Oper als 3D-Event gab es gestern, Mittwoch, Abend erstmals bei Sky. Live aus der English National Opera in London sangen sich Claire Rutter in der Titelrolle der "Lucrezia Borgia" und der junge Tenor Michael Fabiano als Gennaro in die Wohnzimmer. Ein plastisches Opernerlebnis, angereichert um Interviews und Einführungen, das in der statischen Inszenierung von Film-Regisseur Mike Figgis trotz 3D-Technologie altbacken daherkam.

"Wir sind bekannt für Sport und für Filme, jetzt freuen wir uns, etwas ganz anderes machen zu können", so Sky Österreich-Geschäftsführer Kai Mitterlechner beim gemeinsamen Presse-Opernabend. Im vergangenen Oktober war "Sky 3D" in Österreich gestartet, bis Ende April ist der Kanal für alle Sky-Kunden freigeschaltet. Und wo sonst Golf- und Fußbälle auf die Zuseher zufliegen, hatten die Kamera-Teams nun erstmals Arien einzufangen. Gaetano Donizetti hinter den dunklen Fernsehbrillen, das kann Opernliebhabern durchaus Freude machen. Nicht hinwegtrösten können die hübschen 3D-Effekte, die der Bühne Tiefe geben, allerdings über die fehlende Tiefe des Bühnengeschehens.

Mike Figgis ("Leaving Las Vegas") hat mit "Lucrezia Borgia" sein Operndebüt gegeben - und sich dabei wenig zugetraut. Die provokanten Einfälle hob er sich für sein vertrautes Metier auf und drehte in Italien eine Reihe von vier Kurzfilmen, in denen mit viel nackter Haut, Sadomaso-Ästhetik und trashiger Düsterheit die Vorgeschichte der jungen Lucrezia erzählt wird. Er wolle damit dem Charakter "mehr Substanz" geben, so Figgis zu den Fernsehzuschauern. Doch die Filmbeiträge in Bezug zur Bühne zu setzen, will nicht gelingen: Italienisch mit englischen Untertiteln, konterkarieren sie die britische Opernpraxis, italienische Opern auf Englisch zu singen, die luftigen Softporno-Kostümchen des Films weichen im Opernhaus biederen historischen Roben und die mediterrane Szenerie einer pechschwarzen, unbeweglichen Ausstattung.

Dass die gesanglich makellose Claire Rutter da gegen ihr jüngeres Film-Pendant kaum mit der fesselnden, dämonischen Ausstrahlung von Donizettis bekanntester Femme fatale punkten konnte, ist ihr kaum anzulasten. Das virtuose Spiel mit der Koloratur beherrscht sie, das mit der Kamera findet nicht statt. Dabei könnte gerade die dreidimensionale Aufnahmetechnik dem Opernschauen auf der Couch ganz neue Vorzüge verleihen, könnte Bühne und Sänger, Totale und Nahaufnahme, aber auch das Orchester, das unter der Leitung von Paul Daniel stilsicher und in bedacht gewählten Tempi musizierte, in ein visuelles Wechselspiel miteinander bringen, das dem akustischen entspricht. Wenn das einmal gelingt, könnte die trendige 3D-Technologie vielleicht tatsächlich die verstaubte Opernbühne erobern. (Von Maria Handler/APA)