Rund ist die Pflicht, eckig wird die Möglichkeit: Radwege bekommen zwei unterschiedliche Verkehrszeichen.

Foto: Heribert Corn

Die Länder wollen erst einmal prüfen, die Wiener Grünen jubeln.

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Wien - Das Runde muss ins Eckige: Was im Fußball gilt, dürfte ab Sommerbeginn auch Credo der Radlobbyisten werden. Denn, so kündigte Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) am Mittwoch an, bis dahin soll die von Radfahrern so ungeliebte unbedingte Radwegbenutzungspflicht fallen. Genauer: Sie soll aufgeweicht werden. Ab Sommer 2011, sagte Bures am Mittwoch, sollen Länder und Kommunen selbst entscheiden, welcher Radweg freiwillig benutzt werden kann - und welcher zwingend benutzt werden muss.

Gleichzeitig kündigte die Ministerin weitere Neuerungen für Radler an: Neben der Radhelmpflicht für Kinder unter zehn Jahren ist das die Möglichkeit, "Fahrradstraßen" zu schaffen, sowie ein "Rücksichtnahmegebot" .

Blauer Schilderwald

Laut dem Standard vorliegenden Informationen aus dem von Bures einberufenen "Unterausschuss Fahrrad" wird die Unterscheidung zwischen Pflicht- und Kann-Radwegen durch ein neues Verkehrszeichen erfolgen: Da das bisher verwendete runde Schild normiert ist und somit weltweit die gleiche - verpflichtende - Bedeutung hat, war die Schaffung eines neuen Schildes unumgänglich. Es soll viereckig werden, ebenfalls blau und mit dem bekannten Rad-Logo. "Die Behörde vor Ort hat dann zu entscheiden, welche Radwegform errichtet wird" , erläutert Bures' Verkehrsjuristin Sabine Kühschelm.

"Prinzipiell positiv" nennt Martin Blum vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) diese Regelung, fordert aber gleichzeitig "klare Kriterien, damit nur in Ausnahmefällen die Radwegpflicht bleibt" . Ins gleiche Horn stößt Alec Hager von der IG Fahrrad: "Klar hätten wir uns gewünscht, dass die Benutzungspflicht als Ausnahme definiert wird. So wird man wohl ums Diskutieren nicht immer herumkommen."

Ebenso positiv wird die den Gemeinden nun ermöglichte Schaffung von Radstraßen gesehen. Ähnlich wie in Wohn- oder Spielstraßen soll dort der Autoverkehr auf reinen Anliegerverkehr beschränkt und massiv entschleunigt werden - Radfahrer sollen die Straßen aber als Durchzugsrouten nutzen können. Sollte das Gesetz noch vor dem Sommer in Kraft treten, erwarten VCÖ und IG Fahrrad, dass in Wien noch heuer "drei bis vier solcher Straßen" (Hager) kommen.

Das will die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou noch nicht bestätigen, schließlich müssen die Bezirke zustimmen; als Fahrradstraße im Gespräch war in der Vergangenheit etwa die Goldschlagstraße in Rudolfsheim-Fünfhaus. Grundsätzlich mache ihr Bures mit der Novelle eine große Freude, sagte Vassilakou dem Standard: "Das ist ein wesentlicher Schritt zu unserem Ziel, den Radverkehrsanteil in Wien auf 15 Prozent zu erhöhen." Auch mit der Aufhebung der Radwegpflicht sieht Vassilakou eine "langjährige Forderung der Stadt erfüllt" .

Länder abwartend

Etwas zurückhaltender fallen die Reaktionen aus den Bundesländern aus, wo man offenbar von Bures' Vorschlag überrascht war. Die meisten Landesräte, ergab ein Standard-Rundruf, wollen nun erst einmal den Begutachtungsentwurf abwarten. In Salzburg will man laut Verkehrsreferat landesweit vorgehen, um zu verhindern, dass eine Gemeinde die Benutzungspflicht aufhebe und eine andere nicht. Auch Fahrradstraßen können sich die Salzburger vorstellen. In Vorarlberg sieht Verkehrslandesrat Karlheinz Rüdisser (VP) "alles, was die Besserstellung der Radfahrer zum Ziele hat, positiv" . Die burgenländische Landesrätin Michaela Resetar (VP) wiederum ortet keinen Anlass, etwas zu ändern - die Novelle ziele eher auf den urbanen Bereich ab, meint sie.

Weiterhin skeptisch wird Bures' Idee gesehen, Kindern unter zehn Jahren eine Helmpflicht zu verordnen. Die, befinden Radaktivisten, sei kontraproduktiv, wenn man Menschen aufs Rad bringen wolle. Schon jetzt läge die Kinder-Helmquote bei 87 Prozent - da sei Bewusstseinsarbeit sinnvoller als ein Gesetz. Erst recht, da die Nichtbefolgung keine Folgen haben wird. Für ARBÖ und ÖAMTC ist es daher nicht zu Ende gedacht. "Ein Gesetz ohne Sanktionen: Was ist das für ein Gesetz?" , fragt ARBÖ-Sprecherin Lydia Ninz. (rott, hei, ruep, jub, wei/DER STANDARD-Printausgabe, 24.2.2011)

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