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Marit Björgen ist in Norwegen sehr beliebt. Damit sie das bleibt, sollte die 30-Jährige vier Goldmedaillen erlaufen.

Foto: REUTERS/Issei Kato

Nicht weniger als zwölf Goldmedaillen erwartet der gemeine Norweger bei der Heim-WM von seinen Langläufern. Mehr ist - abgesehen natürlich von in diesem Fall weniger begehrten zweiten und dritten Plätzen - in den herrlichen Loipen am Holmenkollen auch nicht zu holen. Die Beauftragten stehen unter immensem Druck, und die Frage, was passiert, wenn sein sollte, was nicht sein darf, wurde ihnen schon oft gestellt.

Da ist es gar nicht verwunderlich, dass der von Langlauflegende Björn Dhaelie beratene Superstar der Norsker, Petter Northug, einmal ungehalten reagierte. "Was soll passieren?", frug also der 25-jährige zweimalige Olympiasieger und viermalige Weltmeister die Lästigen seinerseits rhetorisch. Und antwortete selbst in typischer Manier: "Dann muss ich zwei Jahre Sozialdienst machen, bekomme einen Genickschuss und muss das Land verlassen."

Northug, wegen seines losen Mundwerks ohnehin nicht rasend beliebt, aber mit 1,5 Millionen Euro jährlich der mit Abstand Bestverdiener unter den Nordischen, könnte sich vollends unbeliebt machen, wenn er nicht die Doppelverfolgung, den abschließenden hier fast 52 Kilometer langen 50er und mit der Staffel gewinnt. Gleich viermal soll Marit Björgen triumphieren, die Northug an Beliebtheit weit überragt. Eine Umfrage dieses Ergebnisses quittierte Northug mit einem knappen "Ich mag sie auch lieber als mich". Björgen, in dieser Saison in 13 Weltcuprennen zehnmal erfolgreich, soll tunlichst den güldenen Anfang gleich im Sprint tun, schließlich war die 30-Jährige in dieser Disziplin im Vorjahr Olympiasiegerin. In Vancouver hat Björgen aber quasi versagt, weil sie ihren insgesamt drei Goldenen über die 30 Kilometer, geschlagen von er Polin Justyna Kowalczyk, nur Silber hinzufügen konnte.

Der druck bei den Gastgebern

Sie schlafe derzeit dennoch gut, gibt Björgen vor. Schließlich haben die Norweger in ihrem Hotel alle Zimmer komplett ausräumen und um mehr als 80.000 Euro nach ihren Bedürfnissen umbauen und einrichten lassen. Die Böden, munkelt man, seien mit Plastikplanen ausgeschlagen, Parkett oder gar Teppich seien nicht infrage gekommen, schließlich soll alles so steril wie möglich sein, auf dass sich keiner erkälte. Händeschütteln spielt es ohnehin nicht. Das wäre auch der reinste Wahnsinn.

Während bei der verwichenen WM in Liberec Norwegens Damen im Sprint völlig leer ausgegangen sind, stellen die Herren in Ola Vigen Hattestad den Titelverteidiger und in Anders Glöersen einen aussichtsreichen Außenseiter. Der 24-Jährige zeigte sich dankbar über Northugs Frontstellung, ihm selbst, sagte Glöersen, werde man nicht den Kopf abhacken, wenn es im Sprint nicht klappe.

Diesbezüglich natürlich vollkommen ungefährdet sind die vier Österreicher, die Sportdirektor Markus Gandler ins Rennen schickt. Schließlich gehe es für Österreichs Langläufer im Land der Langläufer um einen Neustart. "Den Langlauf gibt's noch."

Von den Verwüstungen, die der Turiner Olympiaskandal 2006 anrichtete, sprach Gandler natürlich nicht, schließlich wird in Italien in dieser Causa noch immer gegen ihn und weitere aktuelle oder ehemalige ÖSV-Mitglieder prozessiert. In Oslo ist mit Ausnahme von Routinier Jürgen Pinter (31), der vier Jahre gesperrt war und seit dieser Saison wieder startberechtigt ist, eine neue Generation am Werk. Der älteste Sprinter, Harald Wurm, ist 26 Jahre alt, der jüngste, Max Hauke, ist zarte 18. Dazwischen liegen altersmäßig Bernhard Tritscher und Markus Bader, jeweils 22 Jahre alt.

Sie dürfen nun quasi mit am Tisch der Götter sitzen, gelobten aber, nicht befangen zu sein. Der Salzburger Tritscher sprintete in dieser Saison in Rybinsk, Russland, schon auf Platz zehn. Wie Wurm strebt er in Oslo das Halbfinale, also einen Platz unter den besten zwölf, an.

Und wenn es gar für das Finale reicht, was dann? "Dann könnten ja ein paar vor mir stürzen." Gandler, der trotz ihrer Chancenlosigkeit neun Herren und eine Dame nominiert hat, bat um pflegliche Behandlung des vielleicht jüngsten Langlaufteams bei dieser WM. "Man kann junge Sportler sportlich, physisch, psychisch, aber auch medial ruinieren." Frag nach bei den Norwegern. (Sigi Lützow aus Oslo, DER STANDARD Printausgabe 24.02.2011)