Von der Molekül-Monoschicht als aufgewühlter Ozean bis zum detailgenauen HI-Virus in orange und grau, von der Pilz-Phantasmagorie bis zum nachgezeichneten Weg, den Abfall in den USA nimmt: Eine Jury des Magazins Science und der amerikanischen National Science Foundation (NSF) hat auch heuer wieder im Rahmen der International Science & Engineering Visualization Challenge die spektakulärsten wissenschaftlichen Darstellungen und Visualisierungen aus dem Jahr 2010 ausgezeichnet. Hier eine Auswahl, die zeigt, wozu Zeichner, Illustratoren und moderne Computer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern fähig sind:

Kategorie Illustration - Gewinner

3D-Modell eines HI-Virus'

Iwan Konstantinows Sieger-Bild in der Kategorie "Illustrationen" zeigt das HI-Virus in seiner ganzen Einfachheit. Sein Team von der Visual Science Company in Moskau verbrachte Monate damit, die aktuellsten Forschungsergebnisse zu sammeln und sie zu diesem Bild einer 100 Nanometer großen HIV-infizierten Zelle zu vereinen. Es stellt die Proteine in nur zwei Grundfarben dar: grau entspricht dem Wirts-, orange dem Virus-Eiweiß.

Foto: Ivan Konstantinov / Yury Stefanov / Aleksander Kovalevsky / Yegor Voronin / Visual Science Company

Kategorie Illustration - ehrenvolle Erwähnung

AraNet

Das Bild zeigt eine Karte der Verbindungen zwischen den Genen der Senfpflanze Arabidopsis thaliana. Gene, die an den gleichen biologischen Prozessen beteiligt sind, wurden durch Linien verbunden: rot steht für sichere, blau für weniger gesicherte Verbindungen.

Foto: Insuk Lee ▪ Michael Ahn Edward Marcotte ▪ Seung Yon Rhee Carnegie Institution for Science

Kategorie Illustration - ehrenvolle Erwähnung

T4-Bakteriophage

Einer der Juroren verglich diese Darstellung eines Virus' beim Angriff auf ein Escherichia-coli-Bakterium von Jonathan Heras mit einer Szene aus einem Science-Fiction-Film der 1950er-Jahre.

Foto: Jonathan Heras/Equinox Graphics, Ltd.

Kategorie Illustration - ehrenvolle Erwähnung

Spindelapparat einer Hefezelle

Die Darstellung von der "Mitotic Spindle Group" an der University of North Carolina zeigt eine Hefezelle im Moment der Teilung. Mikrotubuli (grün) sind gerade dabei, 16 Chromosomen-Paare (gelb) auseinanderzuziehen; wie der Prozess genau abläuft, darüber zerbrechen sich die Wissenschafter immer noch die Köpfe.

Foto: The Mitotic Spindle Group/University of North Carolina, Chapel Hill

Kategorie Informationsgrafik - Gewinner

Einführungen zu Pilzen

Vom blau-grünen Flaum auf tagealten Essensresten bis hin zur Grundlage der Bier-Industrie: Pilze sind überall - und dies wollte der Künstler Kandis Elliot auch mit seinem Plakat zum Ausdruck bringen.

Foto: Kandis Elliot, Mo Fayyaz/University of Wisconsin, Madison

Kategorie Informationsgrafik - ehrenvolle Erwähnung

Jeder, der jemals lebte

Das Plakat soll jede Person repräsentieren, die zwischen 3200 vor unserer Zeitrechnung und 2009 (unserer Zeitrechnung) gelebt hat: Der gesamte Papierbereich stellt die rund 78 Milliarden Menschen dar, die in den letzten 5.000 Jahren lebten. Das Loch in der Mitte steht für die 969 Millionen Personen, die in einem großen Krieg, durch Völkermord oder ein Massaker ums Leben kamen. Dies entspricht 1,25 Prozent der Gesamtzahl der Menschen, die jemals gelebt haben.

Die Kreise im oberen Bereich repräsentieren die Konflikte pro Jahrtausend mit mehr als 1.000 Toten, und die kreisförmigen Textzeilen in der Mitte (siehe Ausschnitt unten) nennen diese Konflikte beim Namen. Der untere Kreis stellt die erwartete Anzahl der Konflikte im nächsten Jahrtausend dar, sollte sich am aktuellen Trend nichts ändern.

Foto: Peter Crnokrak/The Luxury of Protest

Kategorie Fotografie - Gewinner

Raues Wasser

Der Titel dieses Bildes ist nicht ganz wörtlich zu nehmen: Was hier aussieht wie aufgewühltes Wasser, zeigt in Wirklichkeit die Oberfläche einer nur Nanometer dicken, selbstorganisierenden Molekülschicht auf einer Goldfolie, die Seth Darling vom Argonne National Laboratory und Steven Sibener von der University of Chicago mit einem Rasterkraftmikroskop festgehalten haben.

Foto: Seth B. Darling/Argonne National Laboratory; Steven J. Sibener/University of Chicago

Kategorie Fotografie - ehrenvolle Erwähnung

Tomatensamen

Auf jedem Samen einer Tomatenpflanze sitzen Millionen winziger Härchen, die eine zähflüssige Substanz absondern. Der klebrige Schleim bewahrt den Samen nicht nur vor dem Austrocknen, er verhindert auch, dass der Wind ihn fortbläst und gefräßige Insekten ihn verschlingen.

Foto: Robert Rock Belliveau

Kategorie Fotografie - ehrenvolle Erwähnung

Robo-Tausendfüßer

Die Nachahmung von Insekten ist der letzte Schrei in der Robotik. Die Harvard-Doktorandin Katie Hoffman nahm sich für ihren zwölfbeinigen Mini-Roboter die Morphologie eines Tausendfüßlers zum Vorbild. Die Abbildung zeigt, dass jedes Bein von einem eigenen kleinen Antrieb bewegt wird und die einzelnen Segmente gegeneinander beweglich sind. Hoffman meint, die meisten Roboter dieser Größe bilden Kakerlaken nach und haben daher nur sechs Beine und einen wesentlich starreren Körper. Durch die Nachbildung eines Tausendfüßlers will die Wissenschafterin zeigen, wie die höhere Beweglichkeit der Gesamtstruktur auch eine flexiblere Fortbewegung ermöglicht.

Foto: Katie L. Hoffman/Robert J. Wood/Harvard University

Nicht-interaktive Medien - Gewinner

TrashTrack

Viele Menschen interessieren sich für die Herkunft ihrer Produkte. Sie wollen wissen, ob ihre Frühstückseier aus Freilandhaltung stammen oder ob die von ihnen gekauften Früchte im Inland gewachsen sind oder lange Transportwege hinter sich haben. Für das andere Ende der Konsumkette zeigen dagegen wesentlich weniger Menschen Interesse. Dietmar Offenhuber und seine Kollegen vom SENSEable City Laboratory am Massachusetts Institute of Technology haben mit ihrem Projekt ein wenig Licht auf jene verschlungen Wege geworfen, die der tägliche Müll beschreitet, nachdem er in der Abfalltonne gelandet ist. Dafür haben die Wissenschafter in Seattle 3.000 Stück Müll mit Sensoren versehen und über zwei Monate hinweg quer durch die USA verfolgt. Wie sich zeigte, legten einige der Abfallstücke auf ihren Reisen mehrere Tausend Kilometer zurück.

Foto: SENSEable City Lab Massachusetts Institute of Technology

Nicht-interaktive Medien - ehrenvolle Erwähnung

GPS und Relativität

Damian Pope hat seinen Beitrag vor allem für jene Nicht-Wissenschafter gestaltet, die meinen, Relativität sei eine Angelegenheit, die im Alltag nur für theoretische Physiker eine Rolle spielt - dabei findet Einsteins Theorie tagtäglich in Millionen GPS-Empfängern ihren praktischen Ausdruck. GPS-Satelliten umkreisen in einem Abstand von 20.000 Kilometern die Erde. Das Problem dabei: Die Zeit vergeht in dieser Höhe 38 Mikrosekunden pro Tag schneller, als auf der Erdoberfläche. Das mag zunächst nicht viel sein, nach einem Monat jedoch bedeutet dies für das GPS-System einen Unterschied von mehr als 300 Kilometer. Die Lösung: Auf den Satelliten gehen die Uhren langsamer.

Foto: Perimeter Institute for Theoretical Physics

Nicht-interaktive Medien - ehrenvolle Erwähnung

GlyphSea

Für Erdbeben-Wissenschafter lautet die Millionen-Dollar-Frage: Wann wird das nächste große Beben stattfinden? Ebenso wichtig wie der Zeitpunkt ist freilich auch, wieviel Schäden dabei verursacht werden. Das Wissen um die Ausbreitung von seismischen Wellen im Untergrund kann hier wertvolle Anhaltspunkte liefern. Für die Darstellung solcher Wellen haben Forscher unterschiedliche Möglichkeiten entwickelt; eine Schwierigkeit dabei ist, die Richtung der Erdbebenwellen in eingängiger Weise graphisch darzustellen. Amit Chourasia und sein Team von der University of California in San Diego haben dafür eine einfache Lösung gefunden: Sie verwenden simple Symbolformen, wie Kugeloberflächen oder Ellipsoide; ein weißer Punkt markiert jeweils jene Grenze, die sich auf einen Betrachter zubewegt, ein schwarzer Punkt bezeichnet den Bereich, der sich vom Betrachter entfernt. Durch den Einsatz unterschiedlicher Farben und Größen lässt sich mit diesem Verfahren jede Art von Bewegung intuitiv darstellen, ob es sich um ein schweres Beben in der San-Andreas-Spalte handelt oder um Turbulenzen im Magnetfeld von Sternen im Weltraum.

Foto: Amit Chourasia/UCSD/SDSC

Nicht-interaktive Medien - ehrenvolle Erwähnung

Computersimulation eines binären Quasars

Die Verschmelzung zweier Galaxien zählt zu den spektakulärsten Ereignissen im Kosmos. In einem Tanz, der Milliarden von Jahre dauern kann, werden Spiralarme aus Sternen auseinandergerissen und Wolken aus Staub und Gas zu den Galaxien-Zentren hingezogen, wo sie nach der herrschenden Theorie von Schwarzen Löchern verschlungen werden. Die meisten Astronomen gehen davon aus, dass Gas, Staub, zerrissene Sterne und die Schwarzen Löcher zusammen Quasare ergeben - aktive Galaxienkerne also, die zu den hellsten Objekten im Universum zählen. Viele dieser Galaxien-Kollisionen ergeben daher - zumindest ehe sie sich ganz vereinigen - einen binären Quasar. Der binäre Quasar SDSS J1254+0846, rund 4,6 Milliarden Lichtjahre entfernt, dürfte das Ergebnis eines solchen galaktischen Zusammenstoßes sein. Der Astrophysiker Thomas Cox modellierte die 3,6 Milliarden Jahre dauernde Kollision in einem Video nach.

Foto: Thomas J. Cox/Carnegie Institution for Science

Nicht-interaktive Medien - ehrenvolle Erwähnung

Visualisierung des Whole-Brain-Katalogs

Der Beitrag des Neurobiologen Drew Berry nimmt den Betrachter mit auf die Reise tief in das Gehirn einer Maus. Das Video erweckt dabei Daten des sogenannten Whole-Brain-Katalogs zum Leben, einer riesigen Datenbank, die Forscher von der University of California in San Diego über das Mäusegehirn angelegt haben. Die Fahrt beginnt bei der Nase des Nagers und endet bei zwei Neuronen, die miteinander eine Verbindung eingehen und damit symbolisch für die Erschaffung einer neuen Erinnerung im Mäusegehirn stehen.


Links

International Science & Engineering Visualization Challenge 2010: Science Special Feature und National Science Foundation

Foto: Drew Berry, Mark Ellisman, François Tétaz, The Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research