Dass Freiherren bei ihrer Dissertation schummeln und Gräfinnen nach der Fußfessel lechzen, könnte man noch mit "Noblesse oblige" abtun. Aber wenn sich auch noch deutschnationale Recken zur Wehruntauglichkeit verdammt sehen, dann zeigt das: Die Welt ist aus den Fugen. Die Zeiten, wo man sich in besseren Kreisen eine Kugel in den Kopf gejagt hat, wurde man auch nur bei einer Ehrlosigkeit mittleren Grades ertappt, sind zum Glück vorbei. Diese Form des dauerhaften Verzichts auf das Führen eines Adelstitels ist heute ersetzt durch das Angebot eines zweiwöchigen Verzichts auf das Führen eines Doktortitels, und das muss reichen. Die Leibeigenschaft gibt es schließlich auch nicht mehr.

Nur, was macht ein Freiheitlicher, dessen Schmerz über seine Wehruntauglichkeit ihn heute zum Kronzeugen für die Abschaffung einer vaterländischen Pflicht macht, der er leidenschaftlich anhängt? Soll er sich einen Paintball in die Schläfe jagen? Nein - er klagt. Vorsichtshalber nicht die "Kronen Zeitung", die sich lyrisch an seiner verlorenen Mannestugend weidet. Jungmänner haben einzurücken./ Doch mancher kann sich davor drücken. . . Vilimsky von der FPÖ/ hat Kummer, Qualen, Leid und Weh/ mit seiner Pollenallergie, tönte es Freitag. Und weil es so originell war, ging es Sonntag weiter. So hat des Staates Führungsschicht/ geleistet ihre Wehrdienstpflicht . . . Heuschnupfen (mich fasst kaltes Grauen!)/ hat Herr Vilimsky von den Blauen.

Nun gehört der blaue Allergiker nicht eben zu des Staates Führungsschicht, aber dass sein Leiden zum Unterschied von den seelischen und körperlichen Blessuren, die tatsächliche Angehörige dieser Schicht vorwiesen, um das Heer nicht mit ihrer Präsenz zu schwächen, kaum vorgetäuscht war, bewies er nun mit einem allergischen Ausfall gegen einen knusprig gebräunten Ex-Kameraden.

Es sei Stefan Petzner, der seine Rolle im österreichischen Koordinatensystem irgendwo zwischen Lebensmensch, politischem Paradiesvogel und orangener Lachnummer eingenommen hat, unbenommen, seine politischen Kuriositäten abzusondern, ließ der blaue General in "Zur Zeit" verbreiten und drohte kühn: "Wenn er aber allen Ernstes behauptet, ich hätte mich vor der Wehrpflicht geflüchtet, dann betrachte ich das als in höchstem Maße ehrenrührig und werde Klage gegen diese Person einbringen."

Vilimsky hätte vielmehr gerne Wehrdienst geleistet, sein eiserner Wehrwille konnte sich aber gegen eine gnadenlose Stellungskommission nicht durchsetzen. "Faktum ist, daß ich aufgrund einer starken Allergie und einer Sportverletzung für untauglich befunden wurde, mir das weder aussuchen konnten noch darauf irgendeinen Einfluß genommen habe, sondern dies alleinig aufgrund der damaligen medizinischen Beurteilung erfolgte. " Petzners "Schweinerei der Sonderklasse" werde jedenfalls zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden.

Vielleicht kommt in dessen Verlauf auch ans Tageslicht, ob es erst die Zurückweisung durch die Stellungskommission war, die ihn zum Freiheitlichen reifen ließ. Selbst Leute, die nur von einer Kunstakademie zurückgewiesen wurden, sind danach auf die seltsamsten Ideen gekommen. Der Kränkung, nicht einmal als Systemerhalter genommen worden zu sein, fügte Petzner seine "Schweinerei der Sonderklasse" hinzu - verständlich, dass Vilimsky leidet. Das tut indes nicht jeder aus des Staates Führungsschicht. Lässt man, wie das in diesen Tagen geschah, die Bundeskanzler, Minister und sonstige Führungsschichtarbeiter Revue passieren, drängt sich der Schluss auf , dass körperliche Bresthaftigkeit eine der Voraussetzungen für höhere staatliche Weihen ist. In diesem Sinne soll die Abschaffung der Wehrpflicht wohl nur die Gesundheit künftiger Führungsschichten gewährleisten.

Doch zurück zum derzeit berühmtesten Dissertanten. Sein Beispiel lehrt, beim Zitieren stets die Quelle anzugeben, und wenn möglich, die richtige. Davon abgewichen zu sein, wurde mir nun zum Vorwurf gemacht. Nicht Michael Jeannée habe in der "Krone" den Brief einer Leserin in der "Presse" gelobt, sondern jemand anderer. Gnam? Pándi? Wer immer es war, in diesem Fall ist der Vorwurf obsolet. Wo die Summe aller Meinungen ohnehin seit Jahrzehnten vom Herausgeber vorgegeben wird, wäre es müßig, auf Details einer werkimmanenten Interpretation zu bestehen. Mir ist jeder recht. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 22.2.2011)