Wien - Es hätte für die Wiener Kriminalisten mehr oder weniger ein Routinefall sein sollen - und führte auf die Spur eines mutmaßlichen pädophilen Vergewaltigers. Ein Niederösterreicher soll zumindest zwei 14-Jährige sexuell missbraucht haben, bei der Wiener Polizei fürchtet man noch weitere Opfer.

Aufmerksam wurden die Ermittler auf den 46-Jährigen aus Wiener Neustadt nach Hinweisen aus der Kinderpornoszene selbst, sagt Polizeisprecher Mario Hejl. Der ursprüngliche Vorwurf: Besitz und Weitergabe von kinderpornographischem Material. Im vergangenen November tauchten die Kriminalisten schließlich mit einem Hausdurchsuchungsbefehl bei Wolfgang W. auf.

Der Mann leistete Widerstand und wollte noch Beweise vernichten, berichtet Hejl. "Sie haben mindestens 100 Bilder auf dem Computer gefunden", erklärt der Polizeisprecher. Bei der genaueren Überprüfung des Computers stellte sich heraus, dass der Verdächtige in sozialen Netzwerken im Internet aktiv war - und dort offenbar gezielt minderjährige Burschen angesprochen hat.

Polizei kontaktierte mögliche Opfer

"Er hatte verschiedene Kanäle - etwa Facebook, Skype und MSN", sagt Hejl. Polizeiintern heißt es, der Mann soll bei den Vernehmungen gestanden haben, dass er sich Pubertierenden, die sich bezüglich ihrer sexuellen Identität unsicher waren, als Berater angetragen haben soll.

In zumindest zwei Fällen soll der Verdächtige dann zum Vergewaltiger geworden sein. Aufgrund der Spuren im Internet kontaktierten die Beamten mögliche Opfer. Und wurden fündig. "Zwei 14-Jährige aus Wien haben ausgesagt, von dem Mann missbraucht worden zu sein", so Hejl.

Weitere Opfer befürchtet

Der erste Fall dürfte sich bereits im Jahr 2008 zugetragen haben, der zweite im Vorjahr. Einmal soll es im Auto von Wolfgang W. zu dem Verbrechen gekommen sein, im anderen Fall in der Wohnung des Minderjährigen. Die Befürchtung der Polizei: Da zwei Jahre zwischen den Delikten liegen, könnte es noch weitere Opfer geben - die möglicherweise aus Scham schweigen. Der Verdächtige will dazu jedenfalls keine Angaben machen.

Bewahrheiten sich die Vorwürfe, droht dem Mann wohl eine unbedingte Strafe. Was bei diesem Delikt nicht selbstverständlich ist. Laut der gerichtlichen Kriminalstatistik der Statistik Austria wurden im Jahr 2009, aus dem die letzten verfügbaren Daten stammen, insgesamt 133 Personen (davon zwei Frauen und 22 Jugendliche) wegen Beischlafs und Unzucht mit Unmündigen verurteilt. Eine unbedingte Verurteilung gab es allerdings nur für 39 Angeklagte.

Eltern sollen mit Kindern über Internetkontakte sprechen

Wirklich auffällig ist aber die Diskrepanz zwischen den von der Polizei bei der Staatsanwaltschaft gemeldeten Fällen und der Zahl jener, die schließlich vor Richterinnen und Richtern landen. Denn wegen der beiden Paragrafen für Kindesmissbrauch schickte die heimische Exekutive im Jahr 2009 insgesamt 512 Anzeigen an das Gericht.

Beim Bundeskriminalamt betont man auch die Verantwortung der Eltern, Kindern einen sicheren Umgang mit dem Internet zu vermitteln. So sollte dem Nachwuchs klar gemacht werden, dass man Unbekannten auf keinen Fall irgendwelche Auskünfte über sich selber geben soll, weder im Internet noch per Telefon. Wichtig sei aber auch, mit den Kindern über ihre Internetnutzung und Kontakte dort zu sprechen. (Michael Möseneder, DER STANDARD-Printausgabe, 22.2.2011)