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Der Brennerbasistunnel liegt offenbar derzeit vielen schwer im Magen - die Schweizer sind mit ihrem Gotthard-Basis-Tunnel (siehe Bild) - da schon um einiges weiter.

Foto: AP/Balzarini

Wien - Der Streit um die neuen Schulden der Bahn wegen des Brennerbasistunnels (BBT) ist eskaliert. Montagmittag haben die ÖBB kurzfristig den für Dienstag angesetzten Sonderaufsichtsrat der ÖBB-Holding abgesagt. Bei diesem hätte die ÖBB beschließen sollen, die 25 Prozent, die das Land Tirol an der Brenner-Durchführungsgesellschaft BBT SE hält, zu übernehmen. Damit wäre die Hälfte der Finanzierungskosten, die Österreich aufzubringen hat, nämlich 5 Mrd. Euro, bei der Bahn gelegen. "Das sind Schulden, die wir im Auftrag des Finanzministeriums aufnehmen", so eine ÖBB-Sprecherin. Gleichzeitig übe das Finanzministerium aber massive Kritik an den Schulden der ÖBB, obwohl es diese selbst beauftragt habe.

Die ÖBB bestehen nun auf einem "verbindlichen Rechtsakt", wie sie in einer Aussendung festhielten. "Ohne detaillierte Finanzierungsvereinbarung sind die ÖBB nicht bereit, das Unternehmen einem unzumutbaren Risiko auszusetzen", hieß es. Als "Erfüllungsgehilfe der Republik" sei die Bahn grundsätzlich bereit, den Tunnel zu bauen. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen seien aber erst zu schaffen. 

Tunnelbau wackelt

Bereits in der Früh haben die ÖBB den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter schriftlich über die Absage informiert. Aus Sicht des Verkehrsministeriums gibt es "noch keine Verschiebung des Zeitplans", wie eine Sprecherin von Ministerin Doris Bures sagte. Im Verkehrsressort verweist man auf das Finanzministerium: "Die ÖBB-Aufsichtsräte weisen zu Recht darauf hin, dass sie die Verbindlichkeiten ohne Unterschrift nicht eingehen können."

Auch bei der Bahn sieht man Finanzminister Josef Pröll am Zug. "Wir warten auf eine Reaktion aus dem BMF", hieß es aus dem Unternehmen. Die Bahn stelle das Projekt nicht grundsätzlich infrage, brauche aber eine verbindliche Finanzierungszusage. Finanzminister Pröll hat den sogenannten Zuschussvertrag aber noch nicht unterzeichnet.

Pröll-Sprecher sieht "politischen Aktionismus"

Im Finanzministerium reagiert man verschnupft auf die Absage des Sonder-Aufsichtsrats. Ein Sprecher von Minister Pröll warf dem Bahn-Aufsichtsrat "politischen Aktionismus" vor. Offensichtlich werde der Tunnel benutzt, um das Finanzministerium dazu zu bewegen, den Zuschussvertrag zu unterscheiben.

Aus der Sicht des Finanzministeriums geht es im aktuellen Streit nämlich nicht um den Brennerbasistunnel, sondern darum, wie die Finanzierung der ÖBB nach Maastricht-Kriterien zu bewerten ist. Und es liege an den ÖBB und am Verkehrsministerium, die Maastricht-Konformität sicherzustellen. Seit Jänner wisse man, dass die Statistik Austria prüfe, ob der Zuschussvertrag und alle Investitionen, die sich daraus ergeben, für den Bund schulden- und defiziterhöhend wirken. Bisher sei das nicht so betrachtet worden.

Erst am Donnerstag habe das Verkehrsministerium dem Finanzressort den Entwurf des Zuschussvertrags übermittelt. Und zwei Werktage später sagten die ÖBB, sie müssten den Aufsichtsrat abblasen, wenn das Finanzministerium den Vertrag nicht unterschreibe, empörte man sich im Pröll-Büro. "Das ist nicht unbedingt professionelles Vorgehen."

Offene Frage der ausgelagerten Schulden

Wie berichtet, werden derzeit auf EU-Ebene Änderungen bei der Berechnung der Staatsfinanzen diskutiert. Sollten diese umgesetzt werden, könnten die momentan ausgelagerten Schulden der ÖBB ins Budget wandern: Das Staatsdefizit würde sich dann um 0,5 Prozentpunkte erhöhen, ab 2014 könnte dann - so die gesamten Bahn-Verbindlichkeiten den Republik-Schulden zugerechnet werden - die Schuldenquote auf knapp 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) hochschnellen.

Auf die Frage, ob der Brennerbasistunnel nun gebaut wird oder nicht, meinte Pröll-Sprecher Harald Waiglein lediglich: "Es gibt einen Regierungsbeschluss, es gibt das Budgetgesetz 2011 und das Bundesfinanzrahmengesetz bis 2014."

Vor drei Wochen hat die Regierung den ÖBB-Rahmenplan für die Jahre 2011 bis 2016 beschlossen. Demnach sollen in diesen fünf Jahren 12,8 Mrd. Euro in die Schieneninfrastruktur fließen. Von daher, so Waiglein heute, "braucht man keine Bekenntnisse einfordern."

Der Österreich-Anteil an dem Mammutprojekt beträgt insgesamt 5 Mrd. Euro. Allein der Pilotstollen und weitere Erkundungsmaßnahmen kommen auf 1,25 Mrd. Euro, die laut Verkehrsministerium im Rahmenplan 2011-2016 vorgesehen sind. Darin sind weiters 173 Mio. Euro für den Hauptstollen enthalten, mit dessen Bau 2016 begonnen werden soll. Der Rest werde im nächsten Rahmenplan enthalten sein - die Rahmenpläne werden immer um ein Jahr fortgeschrieben.

Haberzettl ortet "ÖVP-Millionenschacher"

ÖBB-Betriebsratschef Wilhelm Haberzettl begrüßte am Montag die Absage des Aufsichtsrats. "Angesichts der Weigerung von Finanzminister Pröll, den Zuschussvertrag zum Brennerbasistunnel, der die Haftungsübernahme der Republik für den Bau des BBT regelt, zu unterzeichnen, hat sich die Aufsichtsratssitzung ohnedies erübrigt", so der Gewerkschafter in einer Aussendung.

Bei der ÖVP ortet Haberzettl einen "Millionenschacher unter Parteifreunden" - für ihn der Gipfel der bisherigen "Doppelzüngigkeit" der VP puncto Bahn: Finanzminister Pröll habe seinem Parteifreund, dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, bereits die Senkung des Baukostenanteils des Landes Tirol am BBT um rund 300 Mio. Euro zugesagt, womit der Tiroler Anteil am BBT-Bau nur mehr rund 120 Mio. Euro betrage. Die gesamte Finanzierung des Mammutprojekts durch Österreich in der Höhe von 5 Mrd. Euro werde somit fast zur Gänze den ÖBB zugeschieden, empörte sich Haberzettl.

"Über die Medien Kritik üben und hinter dem Rücken der Öffentlichkeit die ÖBB-Schulden weiter in die Höhe treiben, um Parteifreunden zu einem schöneren Landesbudget zu verhelfen - so sieht das wahre Gesicht von Lopatka und Pröll aus", ätzte der SP-Mandatar.

Fix ist bisher nur die Finanzierung des Erkundungsstollens, mit dem im April gestartet werden soll. Die Kosten dafür belaufen sich laut Bahnangaben von heute auf 1,25 Mrd. Euro.

"Nicht mehr zeitgemäß"

Als "wenig überraschend" wertete das Transitforum Austria-Tirol die Entscheidung der ÖBB in Bezug auf das "Milliardenpaket" BBT. Obmann Fritz Gurgiser meinte, es fehle nun aber die selbe Entscheidung der ÖBB zu Koralm- und Semmeringtunnel (SBT). Auch diese Projekte seien "nicht mehr zeitgemäß und es fehlt ihnen jede nur erdenkliche verkehrspolitische Notwendigkeit".

Überraschend sei nur, dass man so lange gewartet habe. Schließlich habe die BBT SE schon am 19. Jänner 2008 "die Weichen für die heutige ÖBB-Entscheidung gestellt", indem der Aufsichtsrat der BBT SE mitgeteilt habe, dass "das finanzielle Risiko privaten Investoren nicht zuzumuten sei". Zudem sei die Ist-Situation, bei der eine Reihe laufender UVP-Verfahren nicht abgeschlossen seien, ohnedies nicht verständlich, wie locker die BBT SE "Milliarden an Steuergeldern abzocken will".

Das Transitforum forderte neuerlich eine klare Entscheidung, ob die ÖBB weiter mit einem "flächendeckenden und vom Steuerzahler subventionierten Mobilitätsauftrag ausgestattet werden oder zu einer Tunnelbaufirma umorganisiert werden". Diese Entscheidung sei im Interesse der hoch verschuldeten ÖBB genauso unverzichtbar wie auch im Interesse des Steuerzahlers.  (APA)