Während der Großteil physikalischer Phänomene schon gut am Computer simuliert werden kann, lässt sich die Quantenwelt mit ihren seltsam anmutenden Gesetzen bisher kaum vollständig in Simulationen nachvollziehen. Selbst das Verhalten relativ kleiner Quantensysteme kann mangels Rechenleistung nicht berechnet werden, "der beste Computer der Welt scheitert an Systemen mit nur 15 bis 20 Teilchen", erklärte der Wiener Physiker Philip Walther gegenüber der APA. Einem Team um Walther und Anton Zeilinger ist es nun gelungen, ein Quantensystem mit einem anderen Quantensystem zu simulieren, nämlich mit Lichtteilchen. Ihre Arbeit wurde jetzt in der Fachzeitschrift "Nature Physics" veröffentlicht.

Besondere Gesetze

Der Grund für die Schwierigkeit bei der Simulation von Quantensystemen sind die besonderen Gesetze in der Welt der kleinsten Teilchen. Dort kann sich ein Teilchen gleichsam im Schwebezustand zwischen zwei Möglichkeiten, etwa Ja/Nein, befinden. Anschaulich kann man dies anhand einer Kugel nachvollziehen. In der uns vertrauten Welt würde die Möglichkeit "ja" einem Pfeil vom Mittelpunkt der Kugel zum Nordpol entsprechen, bei "nein" zeigt der Zeiger zum Südpol. In der Quantenwelt kann der Zustand überall dazwischen liegen und der Pfeil zu jedem Punkt der Kugeloberfläche zeigen. Die Physiker nennen dies Überlagerung oder Superposition.

Damit enthält ein solcher Quantenzustand so viel mehr an Information, dass Computer schon bei der Simulation von wenigen solcher Teilchen überfordert sind. Deshalb boomt schon seit einigen Jahren das Gebiet der Quantensimulation. So wie die Wissenschafter danach streben, mit einem künftigen Quantencomputer die Effekte der Quantenwelt für eine regelrechte Explosion der Rechenleistung zu nutzen, trachten sie auch danach, diese Phänomene für Quantensimulatoren zu verwenden. Sie erhoffen sich davon Antworten über die Eigenschaften von komplexen Quantensystemen.

Teilchen mit Hang zum Fremdgehen

Wie ein solches System aussehen kann, zeigt das konkrete Beispiel der Physiker von der Uni Wien und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Sie konnten ein Phänomen simulieren, das man - was nicht selbstverständlich ist in der Quantenwelt - durchaus mit dem Hausverstand nachvollziehen kann: die Paarbildung. Es handelt sich dabei um ein System quasi monogamer Teilchen mit dem Hang zum Fremdgehen. Die Teilchen können nur mit einem Partner eine Verbindung eingehen, finden aber auch andere Partner attraktiv und würden sich gerne mit diesen verbinden. Weil sich die Teilchen nicht entscheiden können und sich daher in einer Superposition zwischen den beiden Partnern befinden, nennen die Physiker dies ein "frustriertes Quantensystem".

Konkret kann dies etwa bei einem Elektron der Fall sein, dessen Spin (vorstellbar wie der Drehsinn eines Elektrons, Anm.) wegen seines rechten Nachbar-Elektrons nach oben und wegen seines linken Nachbarn nach unten zeigen sollte. Weil sich das Elektron zwischen den beiden Richtungen nicht "entscheiden" kann, liefert die Quantenphysik die Lösung in Form der Superposition zwischen den beiden Zuständen. Solch frustrierte Quantensysteme entstehen immer, wenn einander konkurrierende Wechselwirkungen nicht befriedigt werden können.

Bei Hochtemperatur-Supraleitung

Die Wiener Wissenschafter haben gemeinsam mit Kollegen aus China, Serbien und Neuseeland erstmalig "die Frustration bei der Paarbildung genau untersucht und simuliert, ein Mechanismus, wie er vermutlich auch bei der Hochtemperatur-Supraleitung auftritt, wo Strom ohne Widerstand fließen kann", so Walther. Sie nutzten für die Simulation zwei verschränkte Photonenpaare. "Wir konnten zeigen, dass man die Verschränkung zwischen zwei Lichtteilchen analog zu manchen Bindungen betrachten kann, etwa von Elektronen", betonte der Wissenschafter. So besitzen zwei über die Polarisation verschränkte Photonen in vielerlei Hinsicht die gleichen quantenphysikalischen Eigenschaften wie Elektronenpaare in Materie.

Der Vorteil der Simulation mit Photonen liegt darin, dass man die Lichtteilchen vergleichsweise einfach manipulieren kann. Bei dem von den Physikern nun simulierten Fall hätte ein herkömmliches Simulationsprogramm auf einem Computer auch noch Ergebnisse geliefert, betonte Walther. Doch den Wissenschaftern ging es darum zu zeigen, dass man mit Photonen das Verhalten bestimmter Quantensysteme grundsätzlich simulieren kann. "Wir haben sicher nicht den Heiligen Gral der Quantensimulation gefunden, der alles kann, aber wir konnten zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und in wenigen Jahren größere Systeme beherrschen können, wo herkömmliche Computer nicht mehr mitkönnen", sagte Walther. (APA)

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