Schon wieder rinnt mir ein Tropfen von der Nase direkt auf die Lippen. Doch ich kann mich nicht darum kümmern. Ich muss überlegen, ob ich anbremse, oder einfach umlege. Ein Sturz in dieser Situation wäre eine Schande – ins andere Ohr spricht eine imaginäre Stimme, dass ein Sturz quasi ausgeschlossen ist, selbst wenn ich weiter am Gas ziehe.
Na dann, Gas! Kurz vor der Kurve geht mir der Mumm aus, und ich greife doch in die Bremse. Nur ganz leicht, gerade genug, dass der Kopf weiß, dass ich gebremst habe. Mit einem rationalen Auge betrachtet, bin ich für die Kurve viel zu schnell – mit einem zugedrückten Auge muss das aber irgendwie gehen. Ah geh, jetzt hab ich eine nasse Unterhose. Das hätte ich billiger auch haben können.
Nein, zu meiner verbalen Inkontinenz ist nicht auch noch eine nasale und genitale gekommen. Was mir auf die Lippen rinnt und bestimmt in Richtung Nabel fließt, ist Regenwasser. Ich sitze auf dem neuen Piaggio MP3 Yourban 300 ie, und vor mir liegt eine enge, rutschige und heute auch noch nasse Kurve in Cannes. In der Stadt der Superjachten, Sportwagen und Schnösel hat es gerade ein paar Grad über Null, und es regnet seit Tagen, als drohten die Schiffanackl sonst trocken zu fallen.
So unwirtlich das Wetter ist, so gut passt es für einen Test des neuen Piaggio-Dreiradlers. Der MP3 Yourban ist der Nachfolger des MP3, den es von 125 bis 400 Kubikzentimeter gibt und der mit der Endung LT allein mit dem B-Schein gelenkt werden darf. International war der MP3 ein Erfolgsmodell. In Österreich ist er aber so selten wie gute Witze beim Villacher Fasching.
Darum wird der Yourban auch nur als 300er in der LT-Version importiert - und auch nur in den Farben Schwarz und Anthrazit. Das ist ganz schön dunkel, vor allem aber schade, wenn man an das herrliche Rot und das feine Weiss denkt, in dem Piaggio den Yourban ebenfalls baut – nicht nur als 300er, sondern auch als 125er und nicht nur in der LT-Version, sondern auch für A-Schein-Besitzer, respektive für Code 111-Fahrer.
Was aber kommen wird, ist ein MP3 Yourban ohne die Rollsicherung - die Verriegelung, die es möglich macht, den MP3 auch ohne Ständer, durch die schlichte Arretierung der Aufhängung der Vorderräder, abzustellen. Dann wiegt der Yourban ganze 27 Kilogramm weniger als sein Vorgänger. Mit Rollsicherung hat der neue LT immerhin noch 15 Kilogramm abgespeckt und wiegt fahrfertig 205 Kilogramm.
Mit dem MP3 Yourban schielt Piaggio auf die Zielgruppe junge, moderne Menschen. Gerade Frauen sind in das MP3-Radar geraten und sollen an dem neuen Styling Gefallen finden. Die neue Front mit den LED-Lichtern und dem Grauglasscheinwerfer, der nun am Lenker montiert ist, schaut sportlicher, freundlicher, moderner und schlanker aus. Dabei ist der neue MP3 gleich breit wie sein Vorgänger. Dafür ist der Radstand kürzer, und die Gesamtlänge nahm um ganze 100 Millimeter ab. Außerdem rollt er vorne nun auf zwei 13-Zöllern, welche die 12-Zoll-Reifen ersetzen.
Darum lässt sich der Yourban jetzt auch viel agiler bewegen als sein Vorgänger. War der Ur-MP3 beim Einlenken noch ein wenig schwerfällig, merkt man das beim aktuellen Modell nicht mehr. Der 300er-Einzylinder-Motor mit seinen 22,4 PS und dem maximalen Drehmoment von 23,2 Newtonmeter hat leichtes Spiel mit dem Yourban.
Deshalb bin ich jetzt auch zu schnell am Kurveneingang, und am Scheitel schiebt der Yourban leicht über die Vorderräder. Ich reiße das Gas auf, hoffe auf einen Drift, entlaste aber nur die Vorderachse gerade so viel, dass die beiden Reifen wieder in ihrer Spur laufen. Bei diesem kalten Regenwetter und einer rutschigen Straße wäre jeder mit einem normalen Roller schon beim Gedanken, nicht anzubremsen, auf allen Vieren seinem Scooter hinterhergekrabbelt. Mit dem Yourban fährst du trotzdem Schräglagen wie im Trockenen. Straßenbahnschiene? Wurscht. Umlegen und fertig. Nasse Bodenmarkierungen oder Kanaldeckel? Komplett egal! Wenn man es wirklich übertreibt, rutscht man halt leicht über die Vorderräder. Wären da nicht die tropfende Nase und der feuchte Hintern...
Infos:
Der Piaggio MP3 Yourban 300 LT kommt im April in Österreich an und wird zur Einführung 6.799 Euro kosten.
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