"Der umkämpfte Euro": Eine politische Matinée am Sonntag in der Burg mit Viviane Reding, Josef Pröll, Dimitris Droutsas, Dennis Snower und Alexandra Föderl-Schmid.

 

 

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Wenn ein Fahrrad nicht fährt, dann fällt es um. Und wenn über etwas nicht gesprochen wird, dann existiert es auch nicht. In der Welt der Europäischen Union ist dies alles selbstredend nicht der Fall. Und gemäß dieser quasi politischen Seinslehre geht es der Union logischerweise blendend - auch wenn sie sich derzeit, wie manche sagen, in der größten Krise seit dem Abschluss der Römischen Verträge befinde.

Am Sonntag, bei der Diskussion "Europa im Diskurs", ging es um den gegenwärtigen Befindlichkeitsstand der Union, der sich dieser Tage weniger in radfahrerischem Fortkommen als in europäischen Währungsfragen ausprägt. Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen, die Erste Stiftung, das Burgtheater und der Standard hatten geladen, und Viviane Reding sagte gleich zu Beginn: "Der Euro ist unser Bollwerk, unsere Burg." Er habe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gezeigt, was er kann und werde auch weiterhin bestehen. Damit stimmen laut der EU-Kommissarin sogar die Mehrheit Österreicher überein, die sich in einer Umfrage zu 78 Prozent für den Euro aussprechen und sich, pro Jahr allein 300 Millionen Euro an Wechselkursspesen ersparen.

"Extrem politische Währung"

"Wenn man eine gemeinsame Währung hat", sprach Reding weiter, "dann bekommt man über kurz oder lang auch eine gemeinsame Art zu denken und zu handeln." Wie weit diese Gemeinsamkeiten gehen können, darüber allerdings gingen die Meinungen auf der Bühne des Burgtheaters auseinander: Finanzminister Josef Pröll erklärte, der Euro sei eine "extrem junge Währung mit extrem politischem Charakter". In der Krise habe der Euro es erstmals ermöglicht, dass nicht ein Land seine Probleme - durch Abwertung - auf andere abgewälzen konnte. Er, Pröll, sei dementsprechend auch für eine für eine starke Koordination in Brüssel, aber eine gemeinsame europäische Wirtschaftsregierung, wie sie Deutschland und Frankreich vorschwebt, sei zumindest mittelfristig "politische Fiktion". Pröll: "Brüssel wird keine Lohnpolitik oder Pensionspolitik für die 17 Euroländer machen." Kommissarin Reding wurde deutlicher: Alleingänge einzelner Länder, gemeint waren Paris und Berlin, seien verzichtbar. "Das schadet Europa, wenn einige den anderen ein Diktat auferlegen."

Dimitris Droutsas, der griechische Außenminister, dagegen machte im wirtschaftlichen Integrationsdruck, den der Euro erzeuge, auch einen politischen Integrationsdruck aus. "In Zukunft müssen wir uns die Frage stellen, ob wir nicht auch einen weiteren Schritt zur politischen Integration machen müssen."

Eine Antwort darauf verlangen auch die Finanzmärkte: Und Droutsas sowie Pröll verlangen, dass eine solche beim kommenden Europäischen Rat im März in Brüssel klipp und klar gegeben wird. Pröll: "Wir müssen beim Rat ein Signal setzen. Der ständige Krisenmechanismus der Union muss pfeifen." Droutsas: "Was notwendig ist, ist eine klare, mit einer Stimme verbreitete Botschaft." Wieviel der permanente Rettungsschirm ab 2013 Österreich denn kosten werde, konnte Pröll nicht sagen. "Ich will nicht lügen." Das werde erst in den kommenden Wochen definitiv geklärt.

Droutsas dankt Österreich

Droutsas bedankte sich ausdrücklich auch für die Unterstützung aus Österreich für die Griechenlandhilfe - 2,3 Milliarden von 110. Pröll ergänzte, dass davon bisher 800 Millionen Euro abgerufen worden seien.

Dennis Snower, der Chef des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, forderte noch eine andere vertrauensbildende Maßnahme: Es bedürfe auch einer nachhaltigen Fiskalpolitik. "Wir brauchen eine unabhängige Schuldenkommission, die EU-Mitgliedsstaaten dazu anhält, ihren fiskalpolitischen Verpflichtungen nachzukommen und vereinbarte Schuldenquoten einzuhalten." Dieses Pendant zur EZB könnte auf den Finanzmärkten "Wunder wirken, weil es Vertrauen und Verbindlichkeit schafft", meinte Snower.

Pröll und auch Reding widersprachen heftig. "Ich habe das ungute Gefühl, dass wir neben den im Lissabon-Vertrag neudefinierten Institutionen Parallelveranstaltungen gründen", befürchtete der Vizekanzler. Und die EU-Kommissarin sekundierte: "Wir haben Gremien genug, wir müssen nur darauf achten, dass diese auch funktionieren. Eine Rückkehr zum Intergouvernamentalen schadet allen, denn dort entscheiden die Sünder über die Sünder."

Überdies: Seit Jänner gebe es drei neue EU-Finanzkontrollinstitutionen und das so genannte europäische Semester, in dem die Nationalstaaten regelmäßig ihre Budgetpläne zur Kontrolle nach Brüssel vorlegen müssen. Wer dabei vom Pfad abweicht, muss mit Sanktionen rechnen.

Strafzahlungen, so warnte Ökonom Snower, seien ein negatives Signal: "Das ist so, als ob ich jemand, der gerade eine Beule in sein Auto gefahren hat, noch eine weitere hineinschlage." Viel eleganter sei, die Regierungen zu einem Fahrplan zu nötigen, in wirtschaftlich guten Zeiten zu sparen und Schulden abzutragen.

Was könne den Bürgern noch zugemutet werden, fragte die Moderatorin, Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid. "Eines muss klar sein: Wir retten mit diesem Geld Europa und die europäische Idee und nicht Griechenland oder irgendwelche Banken", antwortete Pröll.

Snower forderte mehr Transparenz: "Es kommt noch viel mehr auf die Bürger zu, ein Tsunami an Problemen. Das müssen die Politiker erst einmal erklären." Die Zinsraten überträfen derzeit die Wachstumsraten, Schulden seien in den kommenden Jahren viel schwerer abzutragen. Dazu verursache die Überalterung in Europa enorme Kosten.

Zum Abschluss zeigten sich die Politiker optimistisch, dass zu Jahresende die Krise überstanden sei. Snower schränkte aber ein: "Aber nur, wenn sich alle an die Regeln halten."

Wir haben genügend Gremien. Die Rückkehr zum Intergouvernamentalen schadet allen, denn dort entscheiden die Sünder über die Sünder. (Christoph Prantner, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 21.2.2011)