Neelie Kroes ist also "sehr zufrieden" mit den Änderungen, die sie mit der Regierung in Budapest zu den ungarischen Mediengesetzen ausgearbeitet hat. So hat sie ihre Gefühlslage im Europäischen Parlament ausgedrückt. Dazu hat die Kommissarin in der Sache freilich überhaupt keinen Grund.

Vielmehr müsste Kroes höchst beunruhigt sein von der rechtlichen Lage, die im Gebiet der gesamten Union beim Thema "Meinungs-, Gedanken- und Pressefreiheit" gilt. Weil die Regierungen es von jeher so wollten, ist die Regelung von Medienangelegenheiten (fast) ganz allein Sache der Nationalstaaten. Die EU hat zwar eine Grundrechtecharta, aber die ist in diesem Zusammenhang nichts wert, weil sie direkt nicht angewendet werden kann.

Davon war in all den Erklärungen bisher leider kaum die Rede - völlig unangemessen für eine Politikerin, die ja nicht nur wie eine kleine Bürokratin den Buchstaben audiovisueller Richtlinien, sondern vor allem auch den Geist des EU-Vertrags vertreten und verteidigen müsste.

Dass eine Aufsichtsbehörde als Zensurbehörde missbraucht werden kann, bevor Gerichte tätig werden, scheint die Kommission nicht zu stören. Sie ist ganz darauf fixiert, den Marktzutritt von Medien aus dem EU-Ausland in Ungarn sicherzustellen. Das zu tun ist ihre Aufgabe. Gut. Aber das kann es ja wohl nicht gewesen sein. Wir brauchen einen Binnenmarkt des Geistes, nicht nur des Geldes. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2011)