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Die Eurphorie ist vorbei: Bürgermeister Michael Häupl ...

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... Vize Maria Vassilakou und die Mühen der Ebene.

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An heiklen Themen mangelt es nicht: Eine Wahlrechtsreform hält die Parteien auf Trab.

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Wien - Gemeinsames Spritzertrinken, öffentliches Du-Sagen, gegenseitige Komplimente - so unbeschwert begann Mitte November 2010 die Zusammenarbeit der rot-grünen Regierung in Wien. Die SP hatte die absolute Mehrheit verloren, die Grünen einige Mandate, keiner der beiden Parteien war ein Rezept gegen die Freiheitlichen eingefallen. Aber egal: Die Euphorie über die erste rot-grüne Koalition in Österreich half, das alles zu vergessen. Bürgermeister Michael Häupl (SP) und seine grüne Stellvertreterin Maria Vassilakou gaben sich als Protagonisten der neuen Rathausharmonie.

Seit fast drei Monaten sind diverse Arbeitsgruppen eingesetzt, hier und dort wurde ein Reförmchen angekündigt. Aber hauptsächlich scheinen die Parteien mit interner Sinnsuche beschäftigt zu sein: Während die Grünen versuchen, sich in der Rolle des braven Juniorpartners einzurichten, verabschieden sich die Roten nur nach und nach vom Alleinregiererhabitus. Jüngstes Beispiel: Heute, Freitag, treffen sich die Regierungsmitglieder zur Klausur. Die wichtigsten Weichenstellungen aus den roten Ressorts sollen dennoch Mitte März im burgenländischen Rust verkündet werden, wo die SP seit Menschengedenken ihre Klubklausur veranstaltet.

Dass sich die SP längerfristig vom Alleinregieren verabschieden muss, dafür soll in dieser Legislaturperiode eine Wahlrechtsreform sorgen. Derzeit genügen mitunter schon 46 Prozent für die absolute Mehrheit, eine bequeme Regelung, an der die SP offenbar hängt und daher ein "Ablenkungsmanöver" gestartet habe, schrieb die grüne Landessprecherin Silvia Nossek am Mittwoch in ihrem Blog. Anlass für ihren Ärger: SP-Klubobmann Rudolf Schicker kann sich vorstellen, die Gemeinderäte direkt zu wählen - für Nossek die Einführung des Mehrheitswahlrechts durch die Hintertür.

Auch die Grünen haben freilich ihre liebe Not mit dem Thema. Sie haben sich gemeinsam mit VP und FP vor der Wahl per Notariatsakt dazu verpflichtet, der SP im Fall einer Koalition eine Reform des mehrheitsfördernden Wahlrechts abzuringen. Klubobmann David Ellensohn betont zwar stets, man wolle dem Grundsatz "One man, one woman, one vote" so nahe wie möglich kommen, aber auch die Grünen debattieren gerne auf Nebenschauplätzen und fordern das Wahlrecht für Ausländer.

Einen entsprechenden rot-grünen Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof schon einmal gekippt, nun bräuchte es für einen neuerlichen Anlauf einen Nationalratsbeschluss. Dass die ÖVP dem zustimmt, ist freilich ausgeschlossen. Und mit der Diskussion über ein verstärktes Personenwahlrecht dürfte man bei den Grünen aus parteiimmanenten Gründen keine allzu große Freude haben: Auch ohne den Einfluss des Wahlvolks ist die Listenplatzvergabe unter Mitwirkung der Basis schon schwierig genug.

Kompromiss als Kunststück

Überdies soll sich auch die Opposition einbringen. Für die VP fordert Stadtrat Wolfgang Gerstl neben der faireren Mandatsverteilung und einem verstärkten Vorzugsstimmensystem auch die Direktwahl des Bezirksvorstehers. Ein Allparteiengespräch gab es zu dem Thema noch nicht; Gerstl meint, die Grünen müssten - siehe Notariatsakt - "die treibende Kraft dahinter sein".

Beiden Parteien muss jedenfalls das Kunststück eines Kompromisses ohne Gesichtsverlust gelingen. Das wäre dann wenigstens wieder ein Grund zum Anstoßen - auch wenn die große Koalitionseuphorie vorerst vorbei ist. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2011)