Bild nicht mehr verfügbar.

Er setzte sich gegen Zwangssterilisation und Massenabtreibungen ein, machte sich zum Anwalt enteigneter Bauern. Chen erhielt internationale Preise, "Time" sah ihn 2006 unter den 100 einflussreichsten Personen".

Foto: AP

51 Monate saß der Bürgerrechtler Chen Guangcheng in Zentralchina in Haft, weil er sich für Hunderttausende Bauern gegen Zwangsabtreibungen im Zuge der Einkindpolitik einsetzte. Ein Gericht verurteilte ihn wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Die Verfolgung endete nicht, als der "blinde Barfußanwalt" Chen im September die Strafe abgesessen hatte: Hausarrest in seinem Dorf Dongshigu in Zentralchina.

"Ich kam nur aus einem kleinen Gefängnis in ein großes zurück", sagt der 39jährige im 50 Minuten langen Videoblog, den er über seinen Hausarrest heimlich drehte und dank US-Menschenrechtsgruppe China Aid ins Web brachte: Gedungene Schläger überwachen, bedrohen, schikanieren ihn Tag und Nacht in drei Schichten. Keine regulären Polizisten, aber offensichtlich im Dienst regionaler Partei- und Sicherheitsbehörden. Chen zählte je 22 Burschen, die jeden, der zu ihm kommen will, "Schläge androhen". Korrespondenten von New York Times, Le Monde, Radio France Internationale und Le Nouvel Observateur erfuhren das am eigenen Leib.

Übergriffe auf akkreditierte Journalisten sind in China selten. Im Fall Chen aber wurden ausländische Reporter von den sich gewalttätig aufspielenden, mit Funkgeräten ausgerüsteten Aufpassern, die alle Zufahrten zum Dorf kontrollieren, gestoppt und angerempelt, ihre Autos beschädigt und sie zur Umkehr genötigt. CNN-Reporter wurden mit Steinen beworfen, mehreren Journalisten Arbeitsgeräte zerstört. Polizei ließ sich keine sehen. Pekings Auslandskorrespondentenclub (FCCC) warnte am Mittwoch seine Mitglieder, allein in das Dorf zu fahren. Chinas Außenministerium schweigt.

Chen erhielt internationale Preise. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach sich für ihn kurz vor dem USA-Besuch Hu Jintaos aus. Das hat Chen nicht genützt. Nachdem sein Videofilm weltbekannt wurde, drangen Schläger in sein Haus ein. Nach Angaben von einer US-Menschenrechtsorganisation prügelten sie ihn und seine Frau. Yuan Weijing krankenhausreif. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD; Printausgabe, 17.2.2011)