Vier Schülerinnen der Sunanul-Hunda-Schule im indonesischen Dorf Cisaat (Distrikt Subakumi). Ihre Schulbildung zahlt der australische Steuerzahler - ein Faktum, das für politische Debatten sorgt.

Foto: Urs Waelterlin

Australische Truppen kämpfen in Afghanistan, in Indonesien greift das Land aber zu anderen Waffen gegen den Terror: Es baut tausende Schulen. Doch nun kritisieren Konservative die Maßnahmen.

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Es ist Examenstag in der islamischen Schule Sunanul Hunda im Sukabumi-Distrikt. Drei Stunden östlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta, in den engen Gassen des Dorfes Cisaat tun Kinder, was sie überall auf der Welt tun. Sie freuen sich über gute Noten im Zeugnis und auf zwei Wochen Urlaub. Ein Umzug mit viel Musik und Tanz; Straßenhändler mit Bauchläden verkaufen Süßigkeiten. Die Kinder tragen ihre schönsten Kleider, die Mädchen den Jilbab, wie die islamische Kopfbedeckung für Frauen in Indonesien heißt.

Es ist eine Szene, wie sie sich an diesem Tag in tausenden Schulen abspielt, in dieser Nation mit 230 Millionen Einwohnern. Doch Sunanul Hunda ist anders. Die Schule wurde vom australischen Steuerzahler finanziert, eine von über 2000, die in den letzten vier Jahren unter der Leitung der staatlichen Hilfsorganisation AusAid gebaut wurden, für insgesamt 270 Millionen Euro.

1500 Schulen sind nichtreligiös, 500 sind islamische Schulen, sogenannte Madrasahs. In Indonesien weit verbreitet, haben sie im Westen einen schlechten Ruf. Es war eine Madrasah des radikalen islamischen Predigers Abu Bakar Bashir, in der Schüler zu Selbstmordattentätern ausgebildet wurden. Bashir ist einer der Gründer und Führer der südostasiatischen Terrororganisation Jemaah Islamiyah (JI), die Beziehungen zu Osama Bin Ladens Al-Kaida haben soll. Bashir steht derzeit in Jakarta vor Gericht. Er ist wegen Terrorismus im Zusammenhang mit einem paramilitärischen Ausbildungslager angeklagt, das vor einem Jahr in der Provinz Aceh entdeckt worden war. Der charismatische Geistliche soll eine Gruppe unterstützt haben, die Anschläge in Jakarta plante. Ihm droht die Todesstrafe.

Ziel der JI-Attentäter sind meistens westliche Touristen, Diplomaten, Geschäftsleute. Vor allem Australier. 2002 töteten Bashirs Schüler in einer Bar in Bali unter anderem 88 australische Urlauber. Am 9. September 2004 zerriss vor der australischen Botschaft in Jakarta ein Bombe elf Menschen.

Für Iyan Mahtudin, den Rektor von Sunanul Hunda, ist der Gedanke bestürzend, Menschen im Westen könnten Madrasahs generell als Brutstätten für Terroristen sehen. "Terror-Ideologie hat hier nichts zu suchen. Wir lernen den Kindern moralische Werte und gutes Verhalten."

Die australische Regierung scheint dem zuzustimmen. Vor kurzem bewilligte Premierministerin Julia Gillard eine Verlängerung des Schulprogramms. Für 470 Millionen Euro sollen in dem aus 17.500 Inseln bestehenden Staat 1500 weitere Schulen gebaut werden. 300.000 Kinder werden damit die Gelegenheit für eine Ausbildung erhalten, "die sie sonst nie hätten", sagt Brian Spicer, der das Programm in Indonesien leitet. Obwohl das Land wirtschaftlich rasch wächst und der Mittelstand expandiert, herrscht vielerorts bittere Armut. Ausbildung ist ein absoluter Luxus.

Armut ist auch in Sukabumi Alltag: Einige Kinder verdienen sich ihr Essen mit dem Einsammeln von Plastikabfall auf der Müllhalde. Zwei Stunden vor Schulbeginn, zwei danach.

Die konservative Regierung des früheren Premierministers John Howard, die das Schulprogramm ins Leben gerufen hatte, zeigte sich denn auch offen über die Hintergründe für ihre Großzügigkeit: Armut sei ein wesentlicher Grund, weshalb junge Menschen dem Ruf radikaler Ideologien folgten, Ausbildung dagegen sei ein effektives Mittel, um die islamische Welt zu "deradikalisieren", so der damalige Außenminister Alexander Downer.

Die Gillard-Labor-Regierung hat bis vor kurzem lieber die "freundschaftlichen Beziehungen" mit Indonesien als offizielle Begründung aufgeführt. Doch vor ein paar Tagen wurde das Programm für die Opposition zum politischen Spielball. Der Chef der Konservativen, Tony Abbott, fordert, das Programm zu stornieren und das Geld stattdessen in den Wiederaufbau der vom Zyklon zerstörten Gebiete in Ostaustralien fließen zu lassen.

Seither spricht Canberra Klartext. Die AusAid-Direktorin in Indonesien, Jacqui De Lacy, sagte am Wochenende, das Programm stärke "die Hand des moderaten Islam" und fördere das Ansehen Australiens in Indonesien.

"Hilft unserem Ruf"

Auch für einen führenden Sicherheitsbeamten, der den Kampf gegen islamistischen Terror in Indonesien von australischer Seite her koordiniert, ist klar: "Das Programm hilft unserem Ruf." Ein Ruf, der nicht überall gut ist. Canberra ist einer der wichtigsten Alliierten der USA im sogenannten Krieg gegen den Terror im Nahen Osten. Ob Irak oder Afghanistan - es ist ein Kampf, der in der größten islamischen Nation der Welt selbst von moderaten Indonesiern gelegentlich als Angriff auf ihre Religion interpretiert wird. (Urs Wälterlin aus Cisaat/DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2011)