Der Community-Sender Okto sieht nun doch ab von einer Beschwerde gegen die neue regionale Wiener Antennen-TV-Frequenz für den Bohmann Verlag - die Frist verstrich ohne Einwände. Okto sah davon trotz heftiger Zweifel an dem Verfahren ab - ein nichtkommerzielles Community TV könne schwer mithalten, wo wirtschaftliche Parameter zentrales Kriterium seien.

"Uns sind die Hände gebunden", sagt Okto-Manager Christian Jungwirth auf STANDARD-Anfrage. Bei der Auswahl sei die finanzielle Tragfähigkeit von Medienprojekten ein zentrales Kriterium: "Wir verfügen nicht über die Zusagen, wie sie der Bohmann-Verlag vom Pressedienst der Stadt Wien (PID) hat."

Okto wird doch auch von der Stadt finanziert. Jungwirth: "Wenn man den Budgetzahlen des "Bohmann Antrags" Glauben schenken darf, sind da offensichtlich Kooperationen über mehrere Millionen Euro jährlich anverhandelt - wir bekommen 980.000 Euro pro Jahr."

Jungwirth nennt das Vergabeverfahren der ORS an Bohmann "komplett geschoben", das Ergebnis sei vor der Entscheidungsfindung festgestanden, vermutet er aus den Unterlagen. Er wundere sich, dass Bohmann "nicht einmal einen professionellen Ghostwriter" für die Bewerbung engagiert habe, er sieht darin einen "Pfadfinder-Antrag".

Die Expertise von Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell, auf die sich die ORS bei ihrer Entscheidung beruft, "weist nicht einmal Mindeststandards einer wissenschaftlichen Arbeit auf, das ist kommentarartige Prosa, die mit Wissenschaft nichts zu tun hat".

Gutachten "in sich unschlüssig"

Hausjells Gutachten sei "in sich unschlüssig", "Argumentationslinien reißen ab". Was meint er? Der Gutachter sei "eine Zeitlang auf der richtigen Fährte, indem er auf Formate verweise, die es nur bei uns gibt". Dann aber komme Hausjell auf "Sendungen bei Okto, wo es vergleichbare Formate auf ORF 2 und Arte gebe" - "und damit wäre das Argument der Programmvielfalt nicht gegeben und Bohmann hat das bessere Konzept".

In der Begründung seines Befunds mache sich der Gutachter "nicht einmal die Mühe zu unterscheiden, dass er das Konzept von Bohmann besser findet als das in der Realität laufende Programm von Okto" - er stelle beide nebeneinander, als ob beide schon liefen, "als ob Bohmann schon seit drei, fünf, sieben Jahren sendet".

"Dann gleich versteigern"

Die ORS könnte sich "nur quasi-behördliche" Auswahlverfahren, welches Programm auf ihren Digitalfernsehplattformen läuft, sparen, wenn wirtschaftliche Parameter so im Vordergrund stünden: "Dann sollen sie's gleich versteigern."

Lieferanten und Geschäftspartner von Okto, etwa auch Verwertungsgesellschaften, berücksichtigten, dass Okto "gemeinnützig" arbeite, sagt Jungwirth - "nur die ORS nicht". Nach einer ähnlichen Beschwerde vor wenigen Jahren sieht er auch wenig Verständnis der Medienbehörde dafür. 

"Transparent und objektiv"

ORS-Sprecher Michael Weber wies die Vorwürfe auf STANDARD-Anfrage zurück und nannte das Verfahren "transparent und objektiv", es gebe "keinen Grund, gekränkt zu reagieren". Meinungsvielfalt, Österreichbezug und Regionalbezug hätten dort ebenso den Ausschlag gegeben wie wirtschaftliche Kriterien.  Die Medienbehörde habe bisher alle Auswahlentscheidungen der ORS bestätigt. (DER STANDARD; Printausgabe, 16.2.2011, online ergänzt)