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 Die slowakische Premierministerin Iveta Radičová lud am Dienstag zum Jubiläumstreffen anlässlich des 20. Jahrestages der Visegrád-Gruppe nach Bratislava.

Foto: Reuters/Petr Josek

Die slowakische Regierungschefin Iveta Radičová will zur Lösung der Finanzkrise Kräfte bündeln. Im Vorfeld der "Europa im Diskurs" -Debatte im Burgtheater sprach sie mit Renata Kubicová.

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STANDARD: Wie sehen Sie die aktuelle Situation in der EU?

Radičová: Wir alle haben uns sicher nicht vorstellen können, irgendwann einer solchen Krise gegenüberzustehen. Konsequenzen der Finanzkrise für die Wirtschaft konnte man zwar erahnen, aber das Ausmaß in den einzelnen Ländern hat uns alle überrascht. Europa wurde selten so hin und her gerüttelt. Schuld ist unter anderem die gewaltige Schlucht zwischen politischen Visionen auf der einen und der wirtschaftlichen, demografischen Realität auf der anderen Seite. Und jetzt ist die Zeit gekommen, diese soziale Hypothek abzuzahlen, die ein unhaltbares Ausmaß angenommen hat. Wir versuchen jetzt mit gemeinsamen Kräften einen Ausweg zu finden. Erste Kredite und der Euro-Schutzschirm haben sich in sehr kurzer Zeit als nicht ausreichend erwiesen. Ich bin überzeugt, dass kein Land es allein schaffen kann. Es geht nun darum, die Kräfte zu bündeln.

STANDARD: Sind die Harmonisierungsvorschläge Deutschlands für Sie akzeptabel?

Radičová: Die Länder der Eurozone befinden sich trotz der gemeinsame Währung in sehr unterschiedlichen Lagen. Wir haben beispielsweise die Überalterung der Bevölkerung gemein, aber Lebenserwartung, Einkommen und Pensionen sind in den Ländern unterschiedlich. Man kann nur gemeinsame Entscheidung fällen, wenn man das alles in Betracht zieht.

STANDARD: Eine eventuelle Aufstockung des Schutzschirms lehnen Sie ab?

Radičová: Auch Garantien müssen in die Gesamthöhe der Schulden eingerechnet werden. Weiteres Bargeld würde aber bedeuten, dass noch Zinsen hinzukommen, was für einzelne Länder eine enorme Belastung sein würde. Wenn wir auf einer Seite die eigenen Finanzen konsolidieren wollen, auf der anderen aber die Schuldenbelastung erhöhen würden, würden wir doch wieder beim Problem landen, denn ohne nationale Konsolidierungsprogramme wird uns keine Erhöhung der Schuldenbelastung helfen, eher umgekehrt. Es wird immer mehr und mehr Geld kosten.

STANDARD: Können Sie sich eine EU-Erweiterung vorstellen?

Radičová: Wir sind eindeutig dafür, auch unsere Diplomatie hat hier schon ein ganzes Stück Arbeit geleistet, z. B. was Serbien betrifft. Ich denke, die EU sollte sich nicht verschließen vor ihren Nachbarn, selbstverständlich aber bei strikter Einhaltung der Kriterien und Regeln. Wenn ein Land fähig ist, die Kriterien eines Beitritts zur EU – oder die noch härteren zur Eurozone – zu erfüllen, bedeutet dies, es hat stabilisierte Finanzen, es hält das Defizit unter Kontrolle, es erfüllt die Richtlinien und Regulative der EU. Es kommt also ein Mitglied, das die EU nur stärken kann.

STANDARD: Kürzlich hat Ungarn den Ratsvorsitz übernommen. Wie bewerten Sie die ersten Schritte?

Radičová: Ungarn hat den Vorsitz mit klaren Prioritäten übernommen, was ich sehr begrüße, sie haben einen sehr ambitionierten Plan, unter anderem im Bereich Energiesicherheit.

STANDARD: Die slowakisch-ungarischen Verhältnisse sind aber noch nicht definitiv geklärt.

Radičová: Ungarn hat in Sachen Staatsbürgerschaft für Auslandsungarn eine Regelung angenommen, die für Unruhe in der Slowakei gesorgt hat. Es ist eine nicht standardgemäße Vorgangsweise, sie entstand nicht auf der Grundlage eines internationalen Vertrages. Die einzige Lösung ist, zu den Werten der EU zurückzukehren und sich auf einen bilateralen Vertrag zu einigen, so wie wir ihn mit vielen anderen Ländern haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2011)