STANDARD: Was löst das derzeitige Fusionsfieber unter den Handelsplätzen dieser Welt aus?

Buhl: Da gibt es mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Prinzipiell ist das ein Prozess, der vor Jahren begonnen hat und durch die Krise unterbrochen wurde. Die Zusammenschlüsse haben vor allem eine starke technologische Komponente. Über die Handelssysteme können immer größere Handelsvolumina abgewickelt werden. Damit entstehen aber auch hohe Kosten für die technologische Weiterentwicklung. Da hat sich zuletzt eine starke Konkurrenz unter den großen Börsen und den außerbörslichen Handelsplattformen entwickelt, um Aufträge möglichst schnell und kompetitiv zu exekutieren. Durch die Krise war man aber mit rückläufigen Handelsvolumina konfrontiert, was teuer ist. Die Systeme können also immer mehr, waren aber nicht ausgelastet. Von daher gibt es schon Synergien, die durch Fusionen gehoben werden können.

STANDARD: Also mehr ein technologischer Zusammenschluss?

Buhl: Technologiegetrieben, ja - aber schon auch strategisch. Die Konkurrenz durch außerbörsliche Handelsplattformen hat zuletzt deutlich zugenommen. Jetzt, wo die Wirtschaft sich wieder erholt, man verstärkt Börsengänge erwartet und das Interesse für Aktien steigt, steigen auch die gehandelten Volumina wieder. Da geht es schon auch darum, konkurrenzfähig zu sein.

STANDARD: Was hat ein Anleger von solch einer Mega-Fusion?

Buhl: Den einfacheren Zugriff auf ein breiteres Angebot. Im Fall von Nyse und Deutscher Börse wird der Zugriff in den jeweils anderen Markt erleichtert. Vor allem für die Amerikaner ist das ein Vorteil, weil der Kauf und Verkauf von europäischen Aktien dann einfacher durchzuführen ist.

STANDARD: Und die Nachteile?

Buhl: Man könnte generell natürlich überlegen, ob die Konkurrenz reduziert werden würde, wenn am Ende des Tages ein großer Monopolist steht. Aber diese Gefahr sehe ich derzeit nicht, weil es außerhalb des Marktes ja noch viele andere Handelsplattformen gibt. Daher glaube ich nicht, dass die Marktmacht einzelner Börsen so groß werden wird.

STANDARD: Was bedeutet die sich verändernde Marktmacht für die Wiener Börse?

Buhl: Momentan glaube ich, dass wir als regionaler Markt wenig betroffen sind. Wir haben unsere Nische bei kleinen Märkten und im europäischen Vergleich auch kleinen Unternehmen. Das Regionalprinzip ist stark ausgeprägt. Systemseitig könnte es schon Auswirkungen geben, weil wir das gleiche Handelssystem wie die Deutsche Börse (Xetra; Anm.) nutzen. Wenn es da zu Änderungen kommt, würden diese auch Wien betreffen.

STANDARD: Fürchtet sich die Wiener Börse vor einer Übernahme?

Buhl: Nein.

STANDARD: Was möchte denn die Wiener Börse noch übernehmen?

Buhl: Wir wollen in Zentral- und Osteuropa die Märkte konsolidieren, sind interessiert und wachsam. Derzeit gibt es aber keine konkreten Pläne. (Bettina Pfluger, DER STANDARD; Printausgabe, 16.2.2011)