So tragisch der Flüchtlingsstrom aus Tunesien Richtung Italien für die Betroffenen auch ist: Der italienische Premier Silvio Berlusconi ist kaltblütig genug, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

Gründe hat er dazu genug: Neue Umfragen bescheinigen dem "Cavaliere" katastrophale Werte wie zuletzt vor sechs Jahren, als er zwar noch regierte, aber dann die Wahlen gegen Romani Prodi verlor. Zudem provoziert ihn sein ehemaliger Verbündeter und nunmehriger Erzfeind Gianfranco Fini bis aufs Blut und fordert in immer kürzeren Abständen Neuwahlen, weil Berlusconi seinen gesamten Regierungsbonus und sein Ansehen - sowie jenes von Italien allgemein - durch Skandale verspielt habe. In diesen Tagen droht ihm auch ein Schnellverfahren wegen Amtsmissbrauchs und Prostitution Minderjähriger.

Schlechte Karten also. Oder doch noch ein As? 1994 nutzte er die Korruptionsskandale für seinen ersten Wahlsieg. Vor zehn Jahren half ihm die Wirtschaftsmisere des Landes erneut auf den Regierungssessel. Jetzt könnte Berlusconi in Versuchung geraten, sein Land als Opfer der Revolutionen im arabischen Raum hinzustellen. Italien werde allein gelassen, wetterte bereits Innenminister Roberto Maroni. Vielleicht war das schon das Stichwort für Berlusconi, sich um die Außenpolitik zu kümmern und damit von seinen Problemen abzulenken. Er würde damit den Kopf nicht zum ersten Mal aus der Schlinge ziehen. (Gianluca Wallisch, STANDARD-Printausgabe, 15.02.2011)