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Catherine Ashton. Zu Unrecht gescholten?

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Eva Gross ist Politikwissenschafterin am Institute for European Studies. Ihr Schwerpunkt ist die Europäische Außen - und Sicherheitspolitik.

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"Catherine wer?" ätzte man bei ihrer Benennung, "Catherine wo?", fragte man während der turbulenten Tage in Ägypten und Tunesien. Kritik an EU-Beauftragter Catherine Ashon, die teilweise berechtigt ist, meint Eva Gross vom Institute for European Studies im derStandard.at-Interview. Aber eben nur teilweise, denn die Aufgabe Ashtons sei eine nahezu unmögliche.

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derStandard.at: Die Unruhen in Tunesien und Ägypten haben offenbart, wie schwerfällig die EU-Außenpolitik ist. Catherine Ashton, die EU-Außenbeauftragte, hat sehr spät zu einer Stimme gefunden und sich dann sehr zurückgehalten. Wofür hat die EU überhaupt eine Außenbeauftragte?

Gross: Die EU hat eine Außenbeauftragte, um die Politik der EU nach außen zu vertreten und die EU als Akteur nach außen hin sichtbar zu machen. Die Kritik im Fall von Ägypten ist sicher berechtigt, denn Brüssel und die EU-Außenbeauftragte haben tatsächlich sehr spät reagiert. Das liegt daran, dass die Mitgliedsstaaten auch keine gemeinsame Linie fahren wollten. Man hätte sich aber erwartet, dass Frau Ashton die Mitgliedsstaaten in dieser Beziehung etwas antreibt und eine gemeinsame Linie vermittelt. Das ist ihr wohl nicht gelungen.

derStandard.at: Ist sie als Persönlichkeit zu schwach?

Gross: Nein. Allerdings hat man im letzten Jahr gesehen, dass es Schwierigkeiten gab, die Rolle der EU sichtbar zu machen. Hier bestehen weiterhin Defizite. Aber es wäre unrealistisch zu erwarten, dass sich große Mitgliedsstaaten wie Großbritannien oder Deutschland in Krisensituationen wie dieser von der EU vertreten lassen. Die EU kann nur vermitteln, aber keine Einigung erzwingen. Wünschenswert wäre es aber, wenn die Mitgliedsstaaten und die EU die gleiche Linie fahren würden. Der Eindruck, dass es Differenzen gibt und die EU nicht als gleichberechtigter Akteur neben den Mitgliedsstaaten gilt, sollte eigentlich nicht entstehen.
Aber man muss schon auch dazusagen: Frau Ashton hat einen schweren und vielleicht sogar unmöglichen Job. In ihrer Person vereinigen sich drei Posten (Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Anm.) , die vorher anders verteilt waren. Einige Kritik ist deswegen nicht unbedingt berechtigt. Ihr wäre aber geholfen, wenn sie ihre Entscheidungen, wann sie die EU wo vertritt, besser kommuniziert.

derStandard.at: Warum hat man nicht jemand anderen ernannt?

Gross: Von den hochrangigen Persönlichkeiten, die im Gespräch waren, waren manche zu kontrovers, andere waren am Ende doch nicht so willig, sich auf diese Position einzulassen. Milliband war sozusagen der Traumkandidat (David Milliband, damals Außenminister von Großbritannien lehnte eine Kandidatur ab, Anm.), Ashton sicher ein Kompromiss.

Allerdings muss man sagen: Die Strukturen des Europäischen Auswärtigen Dienstes, den Ashton aufbauen soll, ist ein langfristiger Prozess. Der EAD soll die EU auf längere Sicht stärken also sollten man dem Ganzen auch eine längere Perspektive zugestehen. Es war von Anfang an weniger eine schillernde Persönlichkeit gefragt, als jemand, der diese Umstellung implementieren kann.

Fakt ist: die Kompetenzen in der Außenpolitik liegen weiterhin bei den Mitgliedsstaaten, das hat der Lissabonvertrag ja nicht geändert. Durch das Amt von Frau Ashton sollen aber zumindest gewisse Kräfte innerhalb der EU gebündelt werden.

derStandard.at: Was kann die EU oder Catherine Ashton dann eigentlich tun? Zum Beispiel im Falle Ägyptens?

Gross: Die EU ist ja auch ein struktureller außenpolitischer Akteur, könnte sich in Zukunft also stärker und konsequenter mit Demokratieförderung beschäftigen. Bisher hat man ja oft gesehen, dass ein Interesse an Stabilität besteht, die sich nicht immer mit dem Ruf nach Demokratie und Menschenrechten vereinbaren lässt. Dieser Konflikt kam in Ägypten auch zum Tragen.
Sanktionen zu verhängen oder Konten einzufrieren sind Beschlüsse, die Catherine Ashton nicht alleine treffen kann, sondern nur gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten.

derStandard.at: Sie kann aber, wie aktuell, Tunesien finanzielle Hilfe zusagen.

Gross: Ja, diese Gelder kommen aus den EU-Töpfen.

derStandard.at: Muss man also einfach akzeptieren, dass die EU ein schwerfälliger politischer Akteur ist?

Gross: Bisher ist die EU ein schwerfälliger politischer Akteur.

derStandard.at: Wann wird der Europäische Auswärtige Dienst seine Arbeit vollwertig aufnehmen können?

Gross: Die institutionelle Arbeit findet ja bereits statt und vor Ort, in den Drittländern, wurden die Delegationen schon umgestellt. Viel Zeit wird noch dazu verwendet, die einzelnen Positionen zu besetzen. Der Anteil von Kommission, Rat und Mitgliedsstaaten am Gebilde ist auch noch nicht geklärt. Gegen Ende des Jahres, vielleicht auch erst nächstes Jahres, wird man Näheres wissen. Ich denke, der EAD wird die Visibilität der EU vor Ort stärken. Bisher war die EU in Drittländern mit bis zu drei Büros vertreten: Die Kommission, ein Sonderbeauftragter und teilweise eine Mission unter der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das wird nun zusammengelegt. Das stärkt die EU vor Ort. Auf der strategischen Ebene wird die Verhandlungsbasis und das Format der EU gestärkt, weil die Rolle der rotierende Präsidentschaft in der Außenpolitik entfällt. Das wird die EU berechenbarer machen. (mhe, derStandard.at, 15.2.2011)