Kultfigur Lucy McEvil führt durch die rauschende Ballnacht.

Foto: Stefanie Leodolter

Eröffnung des 14. Regenbogenballs im Festsaal der Wiener Hofburg.

Foto: Stefanie Leodolter

Samstagabend standen Lesben, Schwule, Transgenders und deren FreundInnen und Freunde vor der gleichen Wahl: Kleid oder Hose, Frack oder Abendrobe und schließlich - Mann oder Frau? Festlich sollte es natürlich sein, aber darüber hinaus gab es beim 14. Regenbogenball keinerlei geschlechtsbezogene Regeln den Dresscode betreffend. Was sich daraus ergab, war ein Bild bezaubernder Vielfalt, erstmals umrahmt von der Kulisse der Wiener Hofburg und dem "Imperial Rainbow".

So wurde Samstagnacht wahrhaftig lesbische, schwule und transgender Geschichte geschrieben. Mit dem Einzug in die Hofburg und dem Ehrenschutz durch den Bundespräsidenten ist der Aufstieg in die Riege der Wiener Traditionsbälle und seit 2010 somit auch in das „UNESCO - immaterielle Kulturerbe der Menschheit" endgültig geschafft. Im jährlichen Ballkalender tummelt sich der Regenbogenball also fortan tête-à-tête mit der „feinen Gesellschaft" der Kaffeesieder, Wiener Wirtschaft oder der Jäger. Ein Stück "Normalität" also für eine sonst oftmals als auffällig präsentierte Randgruppe.

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"Niemand muss sich entschuldigen, heterosexuell zu sein"

In Schale geworfen also auf in die ehemalige Kaiserresidenz. Dort erwartete die zahlreichen BesucherInnen ein höchst unterhaltsames Programm. Das Organisationsteam rund um den Chef der Homosexuellen Initiative Wien (HOSI), Christian Högl, hatte sich ob der neuen Platzmöglichkeiten der Hofburg offensichtlich ins Zeug gelegt diese auch optimal zu nutzen.

Unangetastet blieb die Grundidee des Regenbogenballs: Ein Ball für Lesben, Schwule und Transgenders aber auch für deren Freundinnen und Freunde und überhaupt alle, die Teil einer Veranstaltung zur humanistischen Herzensbildung sein möchten. "Heute Abend muss sich niemand dafür entschuldigen, heterosexuell zu sein" - waren die einleitenden Worte einer Erscheinung in goldenem Satin, oder auch Lucy McEvil genannt, die die Ballnacht mit Charme, Witz und Stil eröffnete und sich die eine oder andere spitze Bemerkung in Richtung diverser mehrfach eingeladener, jedoch nicht erschienener Gäste nicht nehmen ließ.

Wenngleich die Entertainerin auch fast den Einzug der österreichischen PolitikerInnen, darunter auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Laura Rudas (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Die Grünen), vergessen hätte. Ein kleiner Fauxpas, den das Publikum jedoch mit extra lautem Applaus für die erste Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), die die Reihe anführte, wieder wettmachte.

"Ich lade gern mir Gäste ein"

Nach dem Einzug der Ehrengäste, und derer waren viele, bestehend aus VertreterInnen der Community, Vereine, aus Kunst, Kultur, Wirtschaft und nationaler wie auch internationaler Politik, folgten die offiziellen Eröffnungseinlagen. Opernsängerin Sophie Marilley lud in der Rolle des Prinzen Orlofsky aus der Operette Die Fledermaus "gern sich Gäste ein" und sprach Lucy McEvil zufolge mit der Darbietung des Musical-Hits "I feel pretty" besonders den anwesenden Männern aus der Seele. Wer hier „den Schenkelklopfer" oder gar ein verzichtbares Klischee vermutet, liegt möglicherweise nicht ganz falsch oder hat vielleicht die McEvil`sche Selbstironie überhört.

Les Schuh Schuh, eine lesbisch-schwule Tanzformation, die den Regenbogenball bereits seit zehn Jahren begleitet durfte natürlich auch bei der Premiere in der Wiener Hofburg nicht fehlen. Tänzerisches Gender bending wurde da geboten, mit weiblichen Franz Josephs zu Steckenpferd und Männern im klassischen Sisi-Look.

Alles Walzer!

Schließlich hieß es dann wie gewohnt: Alles Walzer! Bis dato ungewöhnlich für die Hofburg waren nur die Tanzkonstellationen - Frau mit Frau, Mann mit Mann, Frau mit Mann, Mann mit Mann im Kleid, Frau mit Frau im Frack und so weiter. Ein herrliches Bild tänzerischer Mannigfaltigkeit, die unter Umständen die Sichtweise eines gewissen mehrfach geladenen, jedoch nicht erschienenen Gasts ob der Ach-so-strikten-Tanztradition in diesem Land, erschüttert hätte. Alfons Haider legte den ersten Walzer des Abends übrigens mit einer Dame aufs Parkett.

"Love Shine a Light"

So auch eine Reihe großartiger Entertainer. Etwa der eigens aus Zagreb, Kroatien importierte lesbisch-feministische Frauenchor "Le Zbor". Die 15 Sängerinnen interpretieren die teils melancholisch anmutenden Klänge balkanischer Volkslieder mit Hilfe kreativer Impulse neu, ohne dabei auf die mystische Atmosphäre zu verzichten.

Den Haupt-Act bot zur mitternächtlichen Stunde dann die Eurovision Song Contest Gewinnerin aus dem Jahr 1997 in Irland. Sie wurde bekannt als Katrina mit ihrer Band the Waves und tritt mittlerweile als Solokünstlerin in Aktion. Für ihren umjubelten Auftritt beim Regenbogenball hat man ihr eine eigens für diesen Anlass formierte Band zur Seite gestellt, von der sie offenkundig mehr als begeistert war. Seit ihrem Erfolg in Dublin scheint sie um keinen Tag gealtert zu sein, kurz: Sie sah verdammt gut aus und legte zudem eine grandiose Performance hin. Dafür erhielte sie wohl auch heute ohne Zweifel noch "douze points" aus Österreich.

Im Anschluss hatte es Wolfgang Stanek nicht leicht den Überblick über die Publikumsquadrille zu behalten. Die sonst so distinktiv unterscheidbaren Damen- und Herrenreihen glichen einander allzu sehr, sorgten für turbulente Szenen und bereiteten dem erfahrenen Tanzmeister jedoch keine gröberen Schwierigkeiten.

Und so wurde weitergetanzt, gefeiert und Reminiszenzen an längst vergangene Tage und Bälle wurden diskutiert. "Weit sei man gekommen" und "viel hätte sich getan" in der Wahrnehmung, Sichtbarkeit und Akzeptanz - 14 Jahre Regenbogenball haben ihre Spuren hinterlassen. Also tanzen Lesben, Schwule, Transgenders und FreundInnen im Dreivierteltakt weiter in Richtung mehr Selbstverständlichkeit für Homosexuelle. Und vielleicht lädt man ja einen gewissen nicht erschienenen Gast im nächsten Jahr wieder ein, des guten Willens wegen, weil amüsiert hat man sich auch fabelhaft ohne ihn. (Stefanie Leodolter, dieStandard.at, 13.2.2011)