www.protestsongcontest.net

Foto: Protestsongcontest

Wien - Mit ihrem Wienerlied "Hättma, kenntma (mochma oba net)" haben die Gebrüder Marx Samstagabend den achten Protestsongcontest für sich entschieden. Mit ihrem Protest "gegen den inneren Wiener" avancierten die vier Musiker auf der Bühne des Wiener Rabenhoftheaters nicht nur zum Publikumsliebling, sondern überzeugten unter den zehn Finalisten auch die Jury - was zur größten Überraschung des von FM4 ausgerichteten Abends wurde, deckten sich die Urteile der Jury in den Vorjahren doch selten mit jenen des Publikums.

Doch an diesem Abend waren sich alle einig. Mit ihrer launig-simplen Darstellung des gleichgültigen Wieners und "der unendlichen Kraft der Bewegungslosigkeit", wie Juror Ernst Molden befand, animierten die Gebrüder Marx bereits während ihrer Darbietung zu begeisterten Sprechchören und Jubelrufen. Mit der Wiener Einstellung, dass "ma besser Fuassboi spün", "wön gen" oder "freindlich dreinschaun" "kenntatn", das aber ned "woin" oder "mochn", kommt man zwar im Leben nicht weit, aber beim Protestsongcontest auf den ersten Platz - dicht gefolgt von der rockigen Nummer "Gartenbau" von Er ist tot, Jim, einer Ode gegen die "alternative Lebenskunst" mit dem für Moderator Dirk Stermann schönsten Reim des Abends: "Wir hatten nie ein 68, und du meintest immer, so etwas rächt sich."

"Sushi-essenden, Nespresso-trinkenden Falter-Bobos"

Die "Sushi-essenden, Nespresso-trinkenden Falter-Bobos", wie Jurorin Ingrid Brodnig feststellte, besang auch ein weiterer Künstler an diesem Abend. So protestierte Blonder Engel in goldenen Glitzer-Leggings und Engelsflügeln zur Belustigung des Publikums mit seinem erzählerisch-genialen "Nespresso (What else?)" gegen den Konsumwahn und den Kaffee, den man "guat vamorktn kau", obwohl beim Genuss "oiss gleich bleibt". Das vorherrschende Thema an diesem Abend war jedoch die Bequemlichkeit und Protest- und Meinungsfaulheit vieler: Verhältnismäßig unbeeindruckt schien das Publikum bei Chris Crossemakers Ansage "Geh hobt's mi gern", "Geht mi nix o!" von FS2 und "Schmeckt ma ned", dem einzigen Hip-Hop-Stück von Andi und Alex feat. Wenzel Washington.

Viel Kabarett, viel Protest gegen Nicht-Protest und wenig klar definierte Feindbilder bestimmten den achten Protestsongcontest. Als gelungene Abwechslung lagen daher die Rotzpipn und das Simmeringer Faustwatschenorchester in der Jury- und Publikums-Gunst weit vorn: Zu "Die Moritat von der schwarzen Maria" ("Sie holt si de Kinder de unerwünscht san") kam eine schwarz verhüllte Frau auf die Bühne, die am Ende des Songs den Xylophon spielenden "Panda" Fu Long nach China abschob. Dass die Veranstaltung in ihrer achtjährigen Geschichte jedoch "mittlerweile reaktionärer als Maria Fekter" ist, begründete Stermann damit, dass sogar die ÖVP-Innenministerin eine Frauenquote fordere, während auf der Bühne des Wiener Rabenhoftheaters keine einzige Leadsängerin vertreten war. Ein Umstand, den auch das Publikum mit Buhrufen kritisierte.

Nach Wunsch des Publikums trugen die Gebrüder Marx ihren Ohrwurm gleich doppelt vor, um ihn prompt in andere Sprachen zu übersetzen: Da wurde "Hättma, kenntma" zum englischen "could we, would we" oder Berliner "hätten wa, könnten wa".

Molden vs Blumenau

Die sechs Jury-Mitglieder, bestehend aus den Liedermachern Ernst Molden und Birgit Denk, den Journalisten Martin Blumenau und Ingrid Brodnig, dem ehemaligen Protestsongcontest-Zweiten Rainer Binder-Krieglstein und Studentin Martina Pfingstl, gaben mit nur einer Ausnahme entweder Er ist tot, Jim oder Gebrüder Marx die Höchstpunktzahl und stimmten so das Publikum wohlwollend. Das war im Laufe des Abends nicht immer so: Vor allem Falter-Journalistin Brodnig erntete für ihre harte, umständlich formulierte Kritik durchgehend Buhrufe. Zu einem Wortgefecht kam es hingegen zwischen Blumenau und Molden: Ersterer sprach sich für die wenig gefestigte Teenie-Formation hirschl ("Gegenwärter") aus, was Molden zu einem Schlag unter die Gürtellinie aufrief, habe doch "alles, was unter 18 ist", seine Sympathie.

Der Protestsongcontest wurde 2004 zum 70. Jahrestag der Februarunruhen des Jahres 1934 ins Leben gerufen. Bei den Einsendungen sind sowohl Eigenkompositionen als auch Coverversionen willkommen, der Text muss jedoch original vom Teilnehmer kommen. 2010 hatten pauT den Wettbewerb für sich entschieden und die Ausrichtung eines eigenen Konzerts im Rabenhof gewonnen. (APA)