Der Befreiungsschlag ging erstmal ordentlich daneben: Nachdem Nokia-Chef Stephen Elop am Freitagmorgen die erwartete Allianz mit Microsoft verkündete, brach die Nokia-Aktie um ein Zehntel ein. Dabei hat der Manager genau das vollzogen, was viele Investoren von dem finnischen Handyriesen verlangt hatten: einen radikalen Bruch mit der Software-Strategie der Vergangenheit. Das diese Wende nicht innerhalb eines Quartals vollzogen werden könnte, hätte den Anlegern allerdings klar sein müssen. Elops Ankündigung von zwei Jahren des Übergangs verschreckte sie dennoch.

"Nokia ist an einem kritischen Punkt angelangt"

"Die kommende Zeit wird schwierig werden, hinsichtlich der Ergebnislage, hinsichtlich der anstehenden Sanierung", sagte Analyst Greger Johansson von Redeye. Sein Kollege John Strand von Strand Consult macht deutlich, was die Abkehr von den bisher verwendeten Systemen nach sich ziehen wird. "Das bedeutet massive Stellenstreichungen."

Konzernchef Elop begründete die Neuausrichtung eindringlich: "Nokia ist an einem kritischen Punkt angelangt, an dem auf unserem Weg in die Zukunft erhebliche Veränderungen notwendig und unausweichlich sind", sagte er. Das bedeute auch, die Entwicklungsausgaben zu stutzen und rund um den Globus Arbeitsplätze im großen Stil zu abzubauen. Die finnische Regierung bereitet schon Hilfsmaßnahmen für die einheimischen Betroffenen vor.

"Ich freue mich über diese Partnerschaft"

Für sein Haus ist der Wechsel der Smartphone-Software auf Microsoft ein Offenbarungseid und womöglich der letzte Ausweg zugleich. Der ehemalige Elop-Arbeitgeber Microsoft ist indes von dem neuen starken Vertriebspartner für sein Programm "Windows Phone 7" angetan. "Ich freue mich über diese Partnerschaft", sagte Konzernchef Steve Ballmer. Er machte deutlich, um was es den beiden geht: Das lukrative Service-Umfeld des mobilen Internets, das von der Branche so genannte "Ökosystem". Es sind die ganzen kostenpflichtigen Apps, Musikdownloads und Werbeflächen, mit denen die Konkurrenten Apple und Google Milliarden scheffeln. Nokia und Microsoft sind in dem Geschäft meilenweit hinterher und die Konkurrenz wächst. Auch der Blackberry-Hersteller RIM und Palm-Anbieter Hewlett-Packard drängen in das Segment.

"Wenn sie sich richtig zusammen aufstellen und so agil werden wie Apple und Google, haben sie eine realistische Chance"

Experten schätzen die Aussichten der neuen Allianz sehr unterschiedlich ein. "Wir haben hier zwei Unternehmen mit enormen Ressourcen. Wenn sie sich richtig zusammen aufstellen und so agil werden wie Apple und Google, haben sie eine realistische Chance", sagte Jussi Hyoty von Front Capital. "Ich denke, das ist absolut der richtige Schritt, aber es stehen harte Jahre bevor. Es braucht Zeit, bis sich alles gefügt hat und die Software in den neuen Geräten ist."

Sein Kollege Geoff Blaber von CCS Insight ist sehr viel skeptischer. "Diese Partnerschaft gründet sich auf der Angst, von Apple und Google an den Rand gedrückt zu werden. Aber es gibt keine Patentlösung für das Problem."

Probleme

Das Problem drängt: Nokia verlor allein im vergangenen Jahr 7,5 Punkte Marktanteil im globalen Handygeschäft. Vor zwei Jahren kam noch fast jedes zweite der zukunftsträchtigen Smartphones von Nokia, inzwischen ist es gerade noch ein Drittel. Bei den teuren Topmodellen sieht es noch schlechter aus.

Die Mobilfunkanbieter dürften jedenfalls erfreut sein, dass sich Nokia und Microsoft den zwei dominierenden US-Riesen Apple und Google entgegenstellen, um deren Dominanz zu brechen, erklärte Frank Meehan vom kleinen Smartphone-Anbieter INQ Mobile. "Aber am Ende entscheiden nicht die Mobilfunkfirmen, sondern die Kunden. Nokia sollte daher den Konsumenten etwas wirklich Aufregendes bieten." (Reuters)