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Königinnenpflicht: Rania bei Beduinen. Die Palästinenserin ist bei vielen unbeliebt.

Foto: Reuters/Naser Ayoub

Wenn jordanische Stammesscheichs über die Gattinnen von Ben Ali und Mubarak schimpfen, meinen sie Königin Rania. In einer Petition, die einen Tabubruch darstellt, fordern sie König Abdullah zum Kurswechsel auf.

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Die an König Abdullah II. von Jordanien gerichtete Petition hat es in sich: "Was in Tunesien und Ägypten geschah zeigt, dass Unterdrückung der Freiheit, Raub des nationalen Vermögens, die Einmischung von Leila Trabelsi und Suzanne Mubarak in die Macht, Korruption und eben die Förderung einer solcher Politik und einer solchen Beleidigung der Würde das ist, was die Menschen hauptsächlich aufbringt".

36 hohe jordanische Stammespersönlichkeiten - also aus dem Grundstock der Loyalisten des Königshauses - forderten am Wochenende den König zu einer politischen Kursänderung auf. Und während er persönlich ausgespart blieb, war die Erwähnung der Gattinnen von Zine El Abidine Ben Ali und Hosni Mubarak direkt gegen Königin Rania gerichtet.

Ohne dass ihr Name genannt wird, kommen zwei konkrete Punkte: Der König solle dafür sorgen, dass "Staatsland von einer persönlichen Familie zurück in den Staatsschatz geführt wird". Und die Petitionäre belegen die "exzessive Pracht von persönlichen Geburtstagsfeiern auf Kosten des Nationalvermögens und der Armen ..." mit ihrem Bannstrahl.

Diese Passage kommt in einem Absatz vor, der die "Methodologie der kulturellen und linguistischen Verwestlichung" ablehnt, und die "fragwürdige Naturalisierung, die zionistischen Zielen dient": also der Einbürgerung von Palästinensern in Jordanien. Königin Rania, selbst eine in Kuwait aufgewachsene Palästinenserin, hatte ein entsprechendes Gesetz unterstützt. Die palästinensischen Flüchtlinge und Einwanderer stellen bereits die Bevölkerungsmehrheit in Jordanien.

Ventil Fußball

Mediale Kampagnen gegen Rania gibt es immer wieder. Es kommt auch vor, dass, wenn beim Fußball eine palästinensische gegen eine jordanische Mannschaft spielt, die jordanischen Fans die Königin und ihren Sohn, den Kronprinzen, verunglimpfen; meist endet das in einer Schlägerei. Im Dezember gab es nach einem Match, das die palästinensische Mannschaft Wihdat mit 1:0 gegen die jordanische Faisali gewann, 250 Verletzte.

Der Angriff der Stammesscheichs, die sich selbst als die Säulen des haschemitischen Königtums sehen, ist jedoch ein Tabubruch. Die meisten jordanischen Medien ignorierten die Petition, eine Webseite, die sie brachte, wurde von den Behörden geschlossen - aber nach dem Protest von Dutzenden Journalisten wieder hergestellt.

In ihrem Forderungskatalog prangern die Stammeschefs alle möglichen Missstände an - von Armut, Korruption, Nepotismus, Unterdrückung bis zu Folter. Immer wieder wird von der Verbindung zwischen Wirtschaft und Regierung gewarnt, vor neuen Machtzentren, vor den "korrupten Plünderern", die sich zwischen haschemitisches Königshaus und Jordanier stellen.

Reformen werden verlangt, aber andere, als der König, der Jordanien fit fürs 21. Jahrhundert machen will, eigentlich vorhatte: "Wir weigern uns, uns der Weltbank zu beugen, deren Bedingungen, Programmen und dem Ansatz der zionistischen kolonialen Globalisierung." Der König ersetzte bereits vor der Petition den wirtschaftsreformfreudigen Premier Samir Rifai durch den Konservativen Maruf Bakhi, aber offenbar genügt das nicht.

Die Affäre unterstreicht die wachsende Kluft in der jordanischen Gesellschaft, in der sich die "echten" Jordanier, ursprünglich Beduinen, von einer wachsenden palästinensischen urbanen Mittelschicht, die von einer Wirtschaftsöffnung profitiert, bedrängt fühlen. Die Jordanier orten dahinter den "zionistische Plan", aus Jordanien den Palästinenserstaat zu machen und das Westjordanland für Israel zu behalten. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2011)