Verhütung ist in Österreich so wie der Sex Privatvergnügen - in anderen Ländern zahlt die Allgemeinheit bei Ersterem mit.

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Wien - Christian Fiala wäre bereit, sein Geschäftsmodell zu beschädigen. Denn Fiala betreibt in Wien ein Ambulatorium für Abtreibungen. Und plädiert dafür, Verhütungsmittel auf Krankenschein abzugeben, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Eine Forderung, die anderswo durchaus umgesetzt wird.
In den USA entspinnt sich derzeit eine Debatte, ob im Zuge der Gesundheitsreform die Krankenversicherer für Verhütungsmittel aufkommen müssen. Die Argumente der BefürworterInnen: Die "Pille auf Krankenschein" würde finanzielle Hürden für Verhütung verhindern, was die Abtreibungszahlen senken und Mütter- und Kindersterblichkeit verringern würde, berichtet die New York Times. Die GegnerInnen kontern, dass Schwangerschaft keine Krankheit, sondern Privatsache sei.

Für Fiala wiegt das erste Argument stärker. "Ich sehe immer wieder Frauen, die zu einem Schwangerschaftsabruch kommen und erklären, sie konnten sich die Verhütung nicht leisten", sagt er. Besonders Jugendliche seien betroffen. Allerdings: Die Pille kommt auf zehn bis 15 Euro pro Monat. Auch Spiralen gibt es in dieser Preiskategorie - wobei deren Kosten auf einmal zu bezahlen sind - ein größerer Brocken.

In anderen europäischen Ländern übernimmt die Allgemeinheit aber zumindest in bestimmten Fällen die Kosten. In Deutschland etwa zahlen die Krankenkassen bei ärztlich verordneten Verhütungsmitteln bis zum 20. Lebensjahr, berichtet Christina Wendt vom deutschen Sozialministerium. Auch Sozialhilfeempfängerinnen bekommen die Kosten bis zu dieser Altersgrenze ersetzt, später ist das nur nach Einzelfallprüfung möglich.

Hohe Zahl an Abtreibungen

Für manche ist das ein Mitgrund, warum die Abtreibungszahlen in Österreich so hoch sind. Es gibt nur Schätzungen, in einer aktuellen französischen Untersuchung findet sich ein Wert von 20 Abtreibungen pro 1000 gebärfähigen Frauen. In Deutschland liegt dieser Wert bei 7,1 und in der Schweiz bei 6,5. Gleichzeitig verhüten laut der UN-Bevölkerungsabteilung in Österreich 51 Prozent der 19- bis 49-Jährigen, während es in Deutschland 70 und in der Schweiz 82 Prozent sind.

Bei der Aktion Leben, die sich gegen Abtreibungen engagiert, glaubt man nicht an das finanzielle Argument und lehnt die Gratis-Pille ab. "Das Problem ist vielmehr die Anwendung. Faktenwissen alleine ist zu wenig, verantwortungsvolle Verhütung hängt vor allem mit dem Selbstbild und dem Selbstbewusstsein der Anwenderinnen und Anwender zusammen", sagt Pressesprecherin Helene Göschka. Einig ist sie mit Fiala aber, dass generell bessere Aufklärung nötig ist.

Die Parteien sind gespalten. Die Grünen sind absolut dafür, betont Frauensprecherin Judith Schwendtner. Ihr SPÖ-Pendant Gisela Wurm sagt zwar, sie sei seit ihrer Jugend dafür - derzeit gebe es aber kein Geld. Bei ÖVP, FPÖ und BZÖ vertreten Erwin Rasinger, Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Heimo Lepuschitz dagegen die Ansicht, dass Schwangerschaft keine Krankheit sei und man das Geld für andere Dinge dringender benötige. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.2.2011)