Der britische Außenminister William Hague war am Dienstag der bisher höchstrangige Besucher in Tunesien seit dem Sturz von Ben Ali - seinen Amtskollegen Ahmed Ounaiss konnte er allerdings nicht treffen. Gegen Ounaiss läuft soeben eine Revolte in seinem Ministerium, denn er hat sich freundlich über die französische Außenministerin Michèle Alliot-Marie - die als Ben-Ali-Verbündete wahrgenommen wird - geäußert und außerdem bestritten, dass Tunesien eine „Revolution" hinter sich habe. Die Tunesier sind fest entschlossen, sich ebendiese Revolution nicht stehlen zu lassen, und schreien bei jedem Anzeichen, dass das geschehen könnte, laut auf.

Und die Anzeichen mehren sich in der Tat: Langsam scheinen sich die Reste des Regimes, die sich bei der Flucht des Mafiapräsidenten in die letzten Winkel verkrochen haben, wieder zu formieren. Das altbewährte Rezept ist es, die Gewalt wieder auf die Straßen zu bringen und die Kräfte des neuen Tunesien zu entzweien.

In dieser Situation ist es gefährlich, dass die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf Ägypten gerichtet ist. Die EU scheint jedoch jetzt aufzuwachen und die dem Land versprochene Hilfe systematisch anzugehen. Dazu gehört nicht nur Geld, sondern Expertise in vielen Bereichen und vor allem Aufmerksamkeit: damit die internationale Gemeinschaft zusammen mit den Tunesiern aufschreien kann, falls sich etwas revisionistisch zusammenbraut. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2011)