Als die Kinderrechte in die Verfassung sollten, wurden Plüschtiere vor dem Innenministerium deponiert. Jetzt stehen Kindern parallel zur Rot-Weiß-Rot-Card neue Härten bevor.

Foto: Mathias Cremer

Die Jugendämter wollen das neue, strenge Gesetz nicht vollziehen, das kündigten sie bereits im Vorfeld an: "Die Arge Jugendwohlfahrt, ein Zusammenschluss von Behörden, wird für Kinder, die nicht in Schubhaft sollen, keine Sorgerechte übernehmen", sagt die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits.

Denn für die "Trennung von Eltern und Kindern während eines Abschiebeverfahrens, also in einer absoluten familiären Krisensituation" werde man "sicher nicht zur Verfügung stehen", bekräftigt Pinterits. Vielmehr sollten Familien vor Abschiebungen "prinzipiell statt in Schubhaft im gelinderen Mittel untergebracht werden", schließt sich die Kinderrechtspraktikerin der Meinung von Caritas-Präsident Franz Küberl an.

Gegen die Pläne der Ministerin

Doch das entspricht nicht den Plänen Innenministerin Maria Fekters (ÖVP) und ihrer Gesetzesmacher. In ihrem Entwurf für eine Ausländergesetznovelle, mit der unter anderem auch die so genannte Rot-Weiß-Rot-Card eingeführt werden soll), wird Schubhaft für Kinder vielmehr als Angebot an die Eltern dargestellt.

Nur auf deren "ausdrückliches und nachweisliches Verlangen" sei ihnen die Mitnahme des Nachwuchses ins Polizeanhaltezentrum zu gestatten, steht im neuen Paragrafen 79 des Fremdenpolizeigesetzes. Andernfalls gehe die Obsorge für die Dauer der Anhaltung aufs örtliche Jugendamt über. "Ein solches Vorgehen widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention", heißt es dazu trocken in der Stellungnahme von Amnesty International im Begutachtungsverfahren, das vergangene Woche zu Ende gegangen ist. Küberl, emotionaler: "Das ist wie eine Wahl zwischen Pest und Cholera".

Geplante Härten

Dass derlei geplante Härten in der Diskussion um die andere Seite der Rot-Weiß-Rot-Card bisher nur am Rande diskutiert wurden, löst bei Rechtsexperten und Praktikern inzwischen zunehmend Bestürzung aus. "Ich warne meine Klienten schon jetzt, dass es ab Inkrafttreten der Novelle weit schwieriger für sie sein wird. Viele glauben mir einfach nicht", erläutert etwa Veli Cayci vom Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen, einer arbeitsmarktpolitischen Betreuungseinrichtung in Wien.

Permanente Überprüfung

Im Mittelpunkt von Caycis Sorge stehen dabei jene österreichweit rund 150.000 Drittstaatangehörigen, die noch keinen Daueraufenthaltstitel besitzen - also zum Beispiel vorerst nur eine Aufenthaltsbewilligung für ein Jahr haben, auch wenn sie schon lang in Österreich leben. Bei ihnen soll laut Paragraf 28 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes künftig auch während des Jahres und vom Amts wegen überprüft werden, ob Einkommen, Versicherung und Wohnmöglichkeit noch stimmen. Das Arbeitsmarktservice soll zu diesem Zweck Informationen über Jobverlust und -wechsel an die Aufenthaltsbehörden weiterleiten.

Stimmen die Voraussetzungen nicht mehr - etwa, weil ein Kind geboren wurde und daher mehr Einkommen vorgewiesen werden muss - kann die Aufenthaltsbewilligung entzogen, eine Ausweisung eingeleitet werden. Und hat der Betreffende dann keinen legalen Status mehr, droht die rasche Abschiebung: Der neue Paragraf 45 des Fremdenpolizeigesetzes, sieht unabhängig von der bisherigen Aufenthaltsdauer die "verfahrensfreie" Außerlandesbringung binnen sieben Tagen vor. Berufungen gegen derlei Behördenschritte soll keine aufschiebende Wirkung zukommen.

Ohne Widerhall

In der parteipolitischen Diskussion um die Novelle blieben diese Pläne bisher ohne Widerhall. Widerstand kommt einzig von den Grünen, wo Integrationssprecherin Alev Korun künftig die "Drangsalierung von seit Jahren in Österreich lebenden Ausländern" befürchtet. Auch Koruns Forderung nach einem parlamentarischen Expertenhearing ist bisher ungehört verhallt. Vielmehr ist geplant, die Vorlage noch im Februar durch den Ministerrat zu bringen. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 9.2.2011)

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