Auch Kieselalgen zeigen sich bei unterschiedlichem Lichteinfall in verschiedenen Regenbogenfarben.

Foto: Friedel Hinz; AWI Bremerhaven

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Die große, schwarze Tischlerbiene mit ihren Flügeln, die wie Seifenblasen irisieren.

Foto: Archiv

Bienenflügel etwa, die nicht ausbleichen oder Käfer, die ihre Farbe der Witterung anpassen. Die Wissenschafterin fordert mehr Nachhaltigkeit bei allen Technologie-Entwicklungen.

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Die Tischlerbiene hat viele Talente: Sie bohrt mit der Präzision eines Zimmermanns Löcher ins Holz, um dort einzunisten, und benützt kleine Holzspäne für Fächer in den Nestern, die kein Möbelhausregal bieten kann. Ihren Feinden flößt sie, obwohl sie keinen Stachel hat, gewaltigen Respekt ein: Das schwarze, behaarte Insekt wird drei bis vier Zentimeter lang und darf getrost als größter Vertreter seiner Art bezeichnet werden. Eine Diplomandin von Ille Gebeshuber, aus der Steiermark stammende Professorin an der National University of Malaysia, interessierte sich zuletzt für die Flügel der Tischlerbiene: Diese sind farblos, irisieren aber bei Licht genau so, wie man das vom Regenbogen, von Seifenblasen oder einer Öllacke auf Asphalt kennt.

Die Wissenschafterin stellte sich die Frage, warum es ohne Pigmente zu diesen Farbenspielen kommt, und entdeckte, dass die nanostrukturierte Oberfläche der Flügel das Licht bricht und streut, ein optisches Phänomen, das im Regenwald des südostasiatisches Staates nicht selten auftritt, sagt Gebeshuber: Da gibt es in allen Farben schillernde Schleimpilze, recht merkwürdige einzellige Lebewesen, die Eigenschaften von Tieren und von Pflanzen in sich vereinen, und Raupen, die - wenn sie von Viren befallen werden - im Sonnenlicht wie Opale zu leuchten beginnen. Die Blätter von einigen grünen Farnen schimmern blau, wenn man sie bewegt, also den Lichteinfallswinkel ändert. Gebeshuber: "Würde man einen dieser Farne zermalmen, es blieben keine blauen Farbstoffe übrig."

Eine irisierende Oberfläche von tierischen oder pflanzlichen Körpern ist aber nicht nur schön, sie hält auch. Während künstliche Farben in den Büroräumen der Uni in Malaysia aufgrund der starken Sonnenstrahlung ausbleichen, bleiben die Farben präparierter Schmetterlinge mit dieser Flügeloberfläche erhalten. Die der anderen bleichen ebenfalls aus wie das Bild des Lebenspartners auf dem Schreibtisch.

Mit diesem Wissen und der Möglichkeit, nanostrukturierte Materialien aus der Natur nachzubauen, lassen sich Kleiderstoffe produzieren, die ihre Farben nicht verlieren, meint Gebeshuber. Sie ist zwar eine glühende Verfechterin der wissenschaftlichen Methode Bionik, die das Vorbild der Natur in die Technologieentwicklung bringen will, sie hinterfragt aber die dadurch möglichen Entwicklungen. "Ich glaube nicht, dass es nachhaltig ist, aus einem System wie der Natur, das sich über Millionen von Jahren entwickelt hat, drei Dinge herauszunehmen, deren Langzeitwirkung auf die Umwelt wir nicht kennen."

Gemeint sind Nano-Superkleber, die nach dem Vorbild der gut haftenden Geckofüße entstanden sind, oder Lacke, deren Entwickler den Lotusblüteneffekt imitieren, damit auf der Karosserie des neuen Autos eine schmutzabweisende Schutzschicht liegt. Was aber haftet wie geschweißt oder sauber wie der Regenwald ist, muss noch nicht gut für die Menschen sein: "Was habe ich davon, wenn sich dann von der Oberfläche Partikel in Nanometergröße lösen, die ich einatme?"

Die Wissenschafterin arbeitet daher bei Bionikprojekten mit dem Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zusammen, an dem derzeit mit "Nanotrust" ein Projekt über Nanotechnologien durchgeführt wird.

Sie plädiert auch für Entschleunigung beim Bemühen, die Natur in der Technik nachzubauen, und für Nachdenkpausen, ehe eine Idee in ein Produkt umgesetzt wird. "Es muss nicht immer alles ein Ergebnis haben. Am liebsten würde ich den Studenten nur einen Schmetterlingsflügel hinlegen und ihnen einen Fragenkatalog mitgeben: Welches Material hat er? Warum diese Form? Warum dieses Material? Was kann das Tier dahinter? Was kann man von ihm für die Technik lernen? Warum empfinden wir den Schmetterling als schön? Wodurch entsteht die Verbindung von Schönheit und Funktionalität in der Natur?"

Eine Kombination, die auch beim Herkuleskäfer auftritt. Dieser Gigant, der 15 Zentimeter Körperlänge und 20 Zentimeter Flügelspannweite erreicht, wechselt die Farben je nach Witterung. Er schimmert grün, wenn es trocken ist, und schwarz, wenn es regnet. Gebeshuber sagt, dass man nach eingehender Umweltverträglichkeitsprüfung Häuser aus einem Material bauen könnte, das ähnlich auf Wärme und Kälte reagiert. Blau, wenn es zu kalt ist und aufgeheizt werden müsste. Rot, wenn man die Heizung abdrehen sollte. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 09.02.2011)

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Wissen: Bionik

Deutsche Wissenschafter haben schon vor mehreren Jahren erkannt, dass Pflanzen und Tiere ideale Vorbilder für Innovationen sind. Deswegen wurde das Biokon-Kompetenznetzwerk gegründet. In Österreich stehen die Aktivitäten noch am Anfang. Das Infrastrukturministerium hat in den vergangenen Jahren die Protagonisten identifiziert und versucht, Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Im vergangenen Jahr fanden fünf Bionikkonferenzen in Österreich statt - von Wissenschaftern organisiert. Nun will man die Industrie ins Boot holen. (pi)