Tilda Swinton in "I Am Love".

Foto: Filmladen

Wien - Der Film spielt in der Gegenwart, aber er wirkt wie aus einer anderen Zeit. Er beschreibt ein Milieu, das man schon ausgestorben wähnte: die nach feudalherrschaftlichem Vorbild organisierte Unternehmerfamilie, in der die Männer draußen in der Welt erfolgreich ihre Arbeit verrichten, während ihre Frauen über Kinder, Küche und Personal wachen und dabei immer perfekt aussehen.

Holzvertäfelte Welt

Die Recchis, Mailänder Fabrikanten bewohnen eine Villa aus den Zwanzigerjahren. Man erreicht sie erst, nachdem man das Portiershäuschen passiert hat. Schwere Holztüren dichten die Räume ab. Die Dienstboten tragen schlichte Uniformen mit gestärkten Krägelchen. Der Seniorchef ist bereit, seinen Nachfolger zu benennen. Ein Mann allein kann ihn nicht ersetzen: Deshalb macht er seinen Sohn und dessen Ältesten zu gleichberechtigten Chefs. Keine Auszeichnung ohne Kränkung, so klappt der Machterhalt noch übers Grab hinaus.

Dass so sauber geordnete italienische Verhältnisse alle möglichen Widersprüche und Unglück produzieren, das hat man zum Beispiel im Kino bei Visconti, Antonioni oder Pasolini gelernt. Io sono l'amore / I Am Love wirkt leider von Anfang an wie ein etwas blutleeres Reenactment von Filmen wie Der Garten der Finzi Contini, Chronik einer Liebe oder Teorema. Da hilft es nur bedingt, dass Luca Guadagninos zweiter Kinospielfilm auch ein Film mit und für Tilda Swinton ist.

Sie spielt eine der "Recchi-Frauen". Einst ist diese ihrem Ehemann aus Russland in dessen Heimat gefolgt. Sie hat den neuen, passenderen Vornamen Emma angenommen und sich auch sonst eingefügt, sich in Sachen Repräsentation und Reproduktion bewährt: Die drei Kinder sind inzwischen junge Erwachsene und wohlgeraten, die Gesellschaften in der Villa funktionieren unter Emmas zurückhaltender Anleitung zu aller Zufriedenheit. Sie ist in allem vollendet. Bis Edo, der Sohn, der ihr am nächsten steht, einen Freund nach Hause bringt: Antonio ist Koch, "ich habe mich in sein Essen verliebt", sagt Edo. Das ist ein Vorschein auf die Erschütterung, die alles verändert.

I Am Love gilt als Herzensprojekt der eigenwilligen britischen Schauspielerin. Einer ihrer Lieblingsdesigner übernahm den Kostümentwurf, Emma trägt deshalb durchwegs Raf Simons (dieser wiederum könnte dafür demnächst einen Oscar erhalten). Das führt mit der Zeit aber auch dazu, dass man die lastende Monotonie eines Luxusmarken-Stores verspürt: Alles so perfekt hier, alles ganz passend. Alles legt und schmiegt sich wie von selbst an.

Diese Perfektion dämpft jede Intensität aus, und die melodramatische Zuspitzung wirkt vor diesem Hintergrund am Ende nicht mehr glaubhaft. (Isabella Reicher, DER STANDARD - Printausgabe, 9. Februar 2011)