Grafik: Standard

Wien - Freunde waren Nicolas Sarkozy und Brian Cowen nie. Der französische Staatspräsident und der irische Premier sind bei ihren Treffen regelmäßig aneinandergeraten. Sie stritten über EU-Verträge, Steuertarife und 2009 sogar über ein Handspiel des Franzosen Thierry Henry bei einem WM-Quali-Spiel der beiden Länder.

Beim vergangenen EU-Gipfel in Brüssel hat das Verhältnis der beiden einen neuen Tiefpunkt erreicht. "Ich habe Sie gerettet", fuhr Sarkozy Cowen in Anspielung an den EU-IWF-Kredit für Dublin an. "Ich bin in Ihrem Namen vors Parlament getreten. " Anschließend folgte ein Schlagabtausch der beiden, den ein Zuhörer laut Irish Times als "Blutbad" bezeichnete.

Auslöser des Streits waren wieder einmal Steuern. Irlands niedrige Körperschaftssteuer (12,5 Prozent) erregt in Europa seit Wochen die Gemüter. Beim EU-Gipfel haben Frankreich und Deutschland einen neuerlichen Vorstoß bei diesem Thema gewagt.

Ursprünglich wollten die Franzosen im Wettbewerbspakt für Europa, den Berlin und Paris ausgearbeitet haben, einen EU-weiten Mindeststeuersatz für Unternehmen festlegen. Die Idee wurde wegen mangelnder Unterstützung rasch fallengelassen. Aber auch der Plan B von Paris und Berlin stößt auf heftige Abwehr.

Wenn schon nicht die Steuersätze, so soll nach dem deutsch-französischen Vorschlag zumindest die Steuerbasis harmonisiert werden. Aber selbst dagegen laufen die Iren, unterstützt von den Slowaken, Sturm.

Die deutsch-französische Idee ist nicht neu. Die EU-Kommission arbeitet seit 2001 an einer Vereinheitlichung der Unternehmensteuerbasis. Derzeit gibt es in den 27 EU-Staaten 27 unterschiedliche Regelungen darüber, wie Gewinne ermittelt werden und was von der Steuer absetzbar ist.

Gewinne weitergeben

Die Kommission will aber nicht nur eine einheitliche Berechnungsbasis schaffen. Damit verbunden ist auch die Idee, Gewinne dort zu besteuern, wo sie anfallen. Dies würde den Steuerwettbewerb in Europa grundlegend ändern. Ein Beispiel: Ein Konzern gliedert ein Teilunternehmen nach Irland aus, das auch in Deutschland und Frankreich aktiv ist. In Irland profitiert die Firma vom niedrigen Steuersatz, obwohl ein Teil der Wertschöpfung im Ausland stattfindet. Nach den Plänen der Kommission müsste Irland künftig jenen Teil des Steuerkuchens weitergeben, der im Ausland anfällt. Zur Berechnung der Anteile könnte die Beschäftigungszahl im Unternehmen herangezogen werden. "Kleine Staaten wie Irland wären die klaren Verlierer einer solchen Reform", meint der deutsche Steuerexperte Christoph Spengel. In Irland sind zwar viele Unternehmenszentralen beheimatet, ein großer Teil der Arbeitsplätze und des Firmenumsatzes verbleibt aber im Ausland.

Die neuen Bemessungsregelungen sollen nach Wunsch von Berlin und Paris nur freiwillig gelten. Ein Unternehmen soll sich also entscheiden können, ob es die EU-Regeln überhaupt anwendet.

Das kritisiert die österreichische Ökonomin Margit Schratzenstaller scharf: "Im Endeffekt gebe es in der EU dann nicht 27, sondern 28 Steuermodelle."

Noch im März plant die EU-Kommission, den Staats- und Regierungschefs eine aktualisierte Version ihrer Steuerpläne vorzulegen. Um einen Durchbruch zu erreichen, müssen alle 27 Staaten zustimmen. Laut Spengel ist das unwahrscheinlich, und zwar auch wenn Cowen beim EU-Gipfel im März - neuwahlbedingt - gar nicht mehr dabei ist. In Irland werden die Brüsseler Eingriffe so ziemlich über alle Parteigrenzen hinweg abgelehnt. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.2.2011)