Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Teil der strittigen Anlage, hier auf einem Archivbild aus 2008.

Foto EPA

Bild nicht mehr verfügbar.

Kambodschas Premier Hun Sen.

Foto Reuters, AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Soldat aus Thailand.

Foto Reuters, AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten in Bangkok fordern die Regierung zu entschlossenem Handeln auf.

Foto Reuters, AP

Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha um hinduistische Tempelanlagen an der Grenze beider Staaten ist jüngst wieder aufgeflammt. Soldaten tauschten Gewehrsalven aus, mehrere Menschen, darunter Zivilisten, kamen ums Leben. Der Hamburger Südostasien-Experte Marco Bünte vom German Insitute for Global and Area Studies beobachtet die Situation und erklärt im derStandard.at-Interview, was es mit dem bizarr anmutenden Scharmützeln im Dschungel auf sich hat.

***

derStandard.at: Wem gehören die Ruinen von Preah Vihear?

Marco Bünte: Gemäß der derzeitigen Rechtsprechung gehören sie zum Territorium Kambodschas. Das wurde von internationalen Gerichten so festgelegt. Das Problem ist, dass die Grenze in unmittelbarer Nähe der Anlagen verläuft und über weite Strecken in diesem Gebiet nicht demarkiert ist. Dieser Tempel aus dem 12. Jahrhundert ist ein Paradebeispiel der Khmer-Kunst, gehört deshalb ursprünglich zu Kambodscha. Im 19. Jahrhundert fiel er aber an das Königreich Siam, heute Thailand, das durch die Besetzung weiter Teile des Khmer-Reiches zu dessen Niedergang beigetragen hat.

Im beginnenden 20. Jahrhundert lief Thailand dann selbst Gefahr, von den heranziehenden Kolonialmächten einverleibt zu werden und verlor das Gebiet des Tempels wieder, diesmal an Frankreich, die Kolonialmacht Kambodschas. Das blieb auch nach der Unabhängigkeit Kambodschas (1953 von Frankreich, Anm.) so. Thailand hat dann mehrere Male versucht, den Tempel wieder zurückzubekommen, die Rechtsprechung von Seiten des Internationalen Gerichtshofes 1962 fiel aber zu Gunsten Kambodschas aus. Das wurde 2008 noch einmal bestätigt, indem die UNESCO den Tempel zum Weltkulturerbe erklärte und dadurch die kambodschanische Seite unterstützte.

derStandard.at: Warum fällt eine eindeutige Zuschreibung auch den internationalen Gutachtern so schwer?

Bünte: Es gab 1904 und 1907 Verträge zwischen beiden Staaten, in denen die Aufteilung des Gebiets geregelt wurde. Da der Grenzverlauf aber nicht hinreichend demarkiert ist, wird heute oft damit argumentiert, dass der Zugang zu den Ruinen nur von Thailand aus gut möglich ist, der Eingangsbereich also zu Thailand gehört. 2008 und 2009 gab es deshalb schon die ersten Scharmützel zwischen Thailand und Kambodscha. Die Rechtslage ist aber eindeutig.


Größere Kartenansicht

derStandard.at: Die Fläche, um die es geht, ist kleiner als Wien-Brigittenau. Warum ist der Konflikt so aufgeladen?

Bünte: Die Sache wird natürlich von beiden Seiten nationalistisch aufgebauscht. Kambodscha betrachtet sich selbst als Kulturnation, der Tempel gehört zu dem kulturellen Anspruch, das alte Khmer-Reich wieder zu verkörpern. Von thailändischer Seite genauso, 2003 gab es beispielsweise Unruhen, als eine Schauspielerin meinte, die Kambodschaner sollten doch Angkor Wat (große Tempelanlage im Westen Kambodschas, Anm.) wieder hergeben. Daraufhin wurde die Botschaft in Phnom Penh niedergebrannt.

derStandard.at: Manche meinen, die thailändische Regierung würde aufgrund innenpolitischen Taktierens den Konflikt eskalieren lassen, Stichwort Gelb- gegen Rothemden. Ist da was dran?

Bünte: Es gibt natürlich seit 2006/2007 starke innenpolitische Konflikte in Thailand, aber man muss auch sehen, dass 2008 Hun Sen (kambodschanischer Ministerpräsident, Anm.) im Wahlkampf mit dem Thema Preah Vihear auf Stimmenfang gegangen ist. Er hat von Thailand verlangt, den ASEAN-Vorsitz (Verband der Südostasiatischen Nationen, Anm.) angesichts der Unruhen im Land abzugeben und seine Leute aus der Tempelanlage abzuziehen.

Dieses nationalistische Aufstacheln gibt es also auf beiden Seiten und hat im Dezember 2010 dazu geführt, dass einige Gelbhemden (organisierte Gegner des früheren thailändischen Premiers Thaksin, Anm.) die Grenze überschritten haben und daraufhin von der kambodschanischen Polizei festgenommen wurden. Einer der Anführer wurde kürzlich zu acht Jahren Gefängnis wegen Spionage verurteilt.

derStandard.at: Wie ist es um das Verhältnis Thailand - Kambodscha, von diesem Grenzkonflikt abgesehen, bestellt?

Bünte: In Südostasien stehen sich die geschichtlichen Rivalen Thailand, Kambodscha und Myanmar (auch Burma genannt, Anm.) mit sehr viel Misstrauen gegenüber. Seit 2008 gab es eben auch diese Grenzstreitigkeiten, die auch auf Ebene der ASEAN ausgetragen worden sind. Dazu kommt, dass Hun Sen den früheren Premier Thaksin auch noch zu seinem Berater gemacht hat. Die Regierung in Phnom Penh tut also alles, um den großen Nachbarn zu ärgern. Kambodscha hat natürlich den Anspruch, eine große Kulturnation zu sein, auch wenn es so klein und so arm ist. (flon/derStandard.at, 8.2.2011)