Virtueller Bannerträger des Online-Aufstands: Per Youtube fordert Webaktivist Oussama El Khlifi Reformen in Marokko.

Montage: Beigelbeck

Warum sollte das, was andernorts einen Aufbruch auslöste, nicht auch in Marokko klappen, dachten sich vor knapp zwei Wochen vier junge Marokkaner, die den politischen Status quo in ihrer Heimat nicht weiter akzeptieren wollen. Sie trafen im Web aufeinander und prompt gründeten sie eine Facebook-Gruppe, "Freiheit und Demokratie, jetzt", um ihrer Forderung einer demokratischen Verfassung in der Maghreb-Monarchie Gehör zu verschaffen.

Vertrauen in Politiker verloren

Binnen kürzester Zeit konnten die Webaktivisten, wie berichtet, 12.000 virtuelle Unterstützer gewinnen. Zwar blieb das von König Mohammed VI. in der vergangenen Dekade verhältnismäßig progressiv regierte Marokko von den aufflammenden Protesten in der arabischen Welt bisher weitgehend unberührt. Aber das soll sich am 20. Februar ändern, hofft der 23-jährige Oussama El Khlifi, Mitinitiator der Facebook-Gruppe die zu landesweiten Demonstrationen vor Regierungsgebäuden in den Städten startete: "Wir sind die junge Generation. Wir haben das Vertrauen in die Politiker verloren. Diese dienen nur sich selbst, vergessen dabei auf das Volk und dessen Sorgen." El Khlifi gab der Kampagne als erster ein Gesicht, in dem er eine Ansprache auf das Videoportal Youtube stellte.

Morddrohungen

Sein Engagement hat ihm Anrufe mit anonymen Morddrohungen eingebracht, sagte El Khlifi der spanischen Tageszeitung El País. Da im benachbarten Algerien Protestkundgebungen für 12. Februar angesetzt sind, hofft er darauf, dass der Funke überspringt. Erstes Ziel sei es, rasch jene "Barriere der Angst vor dem Regime", das viele seiner Generation aufgebaut hätten, einzureißen. Marokkaner wären keine "Untertanen", sondern "Bürger, die ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen wollen".

Dafür müsste einerseits die Bedeutung des Parlaments gestärkt werden und der König keineswegs auf den Thron, aber zumindest auf die in seiner Hand liegende Exekutivgewalt verzichten, sagt El Khlifi: "Dafür brauchen wir Marokkaner eine neue Verfassung." Dann schlägt er durchwegs revolutionäre Töne an: Die Regierung müsse zurücktreten und das Parlament aufgelöst werden, ebenso wie die königstreuen Fraktionen.

Abschließend verlangt er - fast ultimativ im Ton - im Youtube-Clip von der Regierung die "rasche Umsetzung der geforderten Reformen", um, wie er sagt "eine Revolte zu verhindern, deren Ausgang heute niemand vorhersehen könne". (Jan Marot/ DER STANDARD Printausgabe, 5. Februar 2011)

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