Am Sonntag "Im Zentrum" hat zum Ärger des "Falter" der Prinz im Glanz seiner selbst die ihm gegebene Profilierungschance weidlich genutzt. Aber nicht nur er, sondern auch der von Grasser konsequent geduzte und schließlich "Wolfi" genannte österreichische PR-Häuptling Wolfgang Rosam, was verständlich ist, weil ein PR-Häuptling in seiner Branche wohl ausgelacht würde, ließe er eine solche ihm vom ORF gebotene Chance auf Eigenwerbung ungenutzt vorbeigehen. Noch dazu, wo er angeblich als Ethik-Autorität geladen war. Laut "Falter" tat er zur Wahrung seiner ethischen Autorität folgendes: Er zürnte - sich mit der Meinung der Neidgesellschaft mitdrehend, ein ethisches Drahdiwaberl sozusagen - theatralisch dem Glamourminister. Der habe moralisch versagt, rief Wolfi mehrmals, sagte aber nicht genau, wobei und warum.

Das ethisch Drahdiwaberlhafte am österreichischen PR-Häuptling dürfte auch "News" nicht entgangen sein, sonst hätte man ihn wohl kaum zu einem Interview gebeten, um definitiv die Frage zu klären: Warum sind Sie am Sonntag in der ORF-Sendung "Im Zentrum" so scharf auf Grasser losgegangen? In diesem Augenblick der Wahrheit holte er nach, was im Fernsehen auszudrücken ihm offenbar nicht zur Zufriedenheit der Printmedien gelungen war, was seiner Ethik-Autorität aber weniger schadete als seiner Rolle als PR-Häuptling.

Aus meinen Worten, hub er in "News" an, spricht bittere Enttäuschung. Ich habe Grasser früher als Strahlemann erlebt, der für eine neue Art von Politik stand. Und jetzt sehe ich: Er glaubt, Politik sei ein Spiel. Die Menschen wollen aber Politiker, die Vorbilder sind. Nun ist es schon einige Zeit her, dass sich die Gelegenheit bot, Grasser als Strahlemann, der für eine neue Art von Politik stand, zu erleben, und vielen ist das nie gelungen, weshalb ihnen auch Rosams bittere Enttäuschung erspart geblieben ist. Sie haben sich einfach von der Strahlemännlichkeit von Schüssels Finanzminister nicht blenden lassen - ein Minimum an politischem Durchblick, den man von einem PR-Häuptling eigentlich verlangen könnte.

Ganz ein solcher war er gleich wieder, als er sich der Frage zu stellen hatte: Merken Sie an den Reaktionen auf Ihren Auftritt, dass die Menschen aufgebracht sind? Da konnte er natürlich schon aus professionellen Gründen nicht sagen, es hätte seines Auftritts nicht mehr bedurft, um aufgebracht zu sein, nein, er sah tiefer: Ich sehe, dass ich offenbar ein Ventil geöffnet habe. Dass ich im Fall Grasser aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht habe, ist wie eine Bombe hochgegangen. Da lässt einer die Mördergrube seines Herzens wie eine Bombe hochgehen, und der "Falter" behauptet, er wisse nicht genau, wobei und warum! Das hat vielleicht damit zu tun, dass es sich bei dieser Mördergrube um einen Spätzünder gehandelt hat, während die Bombe, die der Strahlemann in der Senkgrube schwarz-blauer Verhältnisse deponiert hatte, längst explodierte, auch wenn die Justiz noch am entschärfen ist.

Trotz aller von Rosam festgestellter ethischer Unterschiede zwischen Grasser und ihm gibt es doch auch Gemeinsames: Beide bekommen Fanpost. Wildfremde Menschen schreiben mir, sprechen mich auf der Straße an, sind froh, dass endlich jemand für sie spricht. Sie bedanken sich bei mir. Gerade, dass sie ihm nicht die Hände küssen für sein Erlösungswerk. Da löst ein Heiland den anderen ab, der Strahlemann ist tot, es lebe der PR-Häuptling! Nach der Sendung meinte er, der Strahlemann, ich sei sehr streng gewesen, Das stimmt. Ich war streng. Und ich bin zornig. Aber jetzt ist alles wieder vorbei.

Jetzt richtet sich die Ethik-Autorität auf ein anderes Ziel. Ich vermisse ein klares Statement von Schüssel. Er sollte sagen, dass das Vorgehen Grassers nicht in Ordnung ist. Oder sagen, dass er sich getäuscht hat. Das gehört zu einer selbstkritischen, retrospektiven Betrachtung. Schüssel muss doch deutlich machen, dass das nicht seine Art der Politik war. Sonst glaubt man, er heißt alle diese Vorgänge gut.

Ein typischer Fall von Überdehnung der Ethik-Autorität. Alle Vorgänge unter Grasser als Finanzminister hat Schüssel gutgeheißen, das war genau seine Art der Politik. Sonst wäre ein Buwog-Deal wohl kaum (so) über die Bühne gegangen. Für Rosam soll er jetzt sagen, dass das Vorgehen Grassers nicht in Ordnung war? Und ein Kommentar zum Vorgehen Grassers nach beider Regierungszeit ist müßig. Es wird sich bei Schüssel schon niemand auf der Straße bedanken. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.2.2011)