Peter Husslein (58) ist Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters Hugo Husslein, der die Klinik von 1964 bis 1979 leitete. Husslein betreibt mit "Fetomed" private gynäkologische Zentren in Wien und Niederösterreich. Er ist verheiratet mit der Belvedere-Direktorin Agnes Husslein.

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Standard: In der Debatte darüber, ob die Haftung für Ärzte, die Behinderungen bei ungeborenen Kindern übersehen, abgeschafft werden soll, haben Sie gesagt, Schadenersatz sei wirksamer als ärztliches Ethos. Diskreditieren Sie damit nicht Ihren eigenen Berufsstand?

Peter Husslein: Man muss aufpassen, dass Angst nicht der dominierende Faktor in der Arzt-Patienten-/Ärztin-Patientin-Beziehung wird. Der Wegfall der Haftung birgt aber die Gefahr, dass die Qualität sinkt. Das ist kein Angriff auf die KollegInnen - es ist menschlich, dass man sich mehr bemüht, wenn man weiß, dass man für einen eventuellen Schaden haftet. Es ist auch nicht wirklich logisch, dass nur der Paragraf 97 Absatz 2 aus der ärztlichen Haftung herausgenommen werden soll, also den Schwangerschaftsabbruch nach dem dritten Monat. Da werden auch ethische Fragen angesprochen: In Wirklichkeit geht es darum, den Paragrafen zu streichen oder abzuschwächen, weil ihn einige DiskutantInnen inhaltlich und emotional nicht akzeptieren wollen. Die Diskussion über das Schadenersatzgesetz finde ich daher nicht ehrlich.

Standard: Werden alle Schwangeren gleich betreut, unabhängig von Bildung und Einkommen?

Husslein: Das Angebot ist - durchaus im Gegensatz zu anderen Bundesländern - in Wien tatsächlich gleich. Die Möglichkeiten, die die Medizin bietet, involvieren aber auch die freie Entscheidung der Betroffenen. Das ist ein komplexes Bildungsproblem, und es darf auch keine sprachlichen Barrieren geben. In einer Privatordination wird die Zeit für das Gespräch abgegolten, aber die Sozialversicherung bezahlt das nicht adäquat. Insofern ist der Zugang zu Medizin eine finanzielle Frage.

Standard: Sie betreiben mit "Fetomed" auch ein privates Institut für Pränataldiagnostik. Verdienen Sie an möglichen Lücken im System?

Husslein: Wir bieten bei Fetomed nichts an, was die Universitätsklinik für Frauenheilkunde nicht auch anbietet. Es ist aber so wie bei jeder Privatordination: Die Wartezeit und die Intensität des Gespräches unterscheiden sich, möglicherweise auch die Bilddokumentation - nicht aber die Qualität. Untersuchungen wie ein Organscreening erfordern ein extrem hohes Know-how. Es ist eine naive Vorstellung zu glauben, dass der Fortschritt der Medizin überall in der Breite angewendet werden kann. Die kleineren Spitäler haben zunehmend - zu Recht - Angst davor, komplexe Untersuchungen zu machen.

Standard: Es heißt, Sie hätten die Frauenklinik am AKH verkleinert.

Husslein: Das habe ich nicht. Es gibt einen Aufnahmestopp vonseiten der Medizinischen Universität, aber es ist noch nicht klar, inwieweit uns das betrifft.

Standard: Wird Pränataldiagnostik in der öffentlichen Wahrnehmung zu sehr auf das Erkennen von Behinderungen reduziert?

Husslein: Pränataldiagnostik besteht nicht nur darin, Dinge zu entdecken, die der Frau die Möglichkeit zu einem Schwangerschaftsabbruch geben. Es geht auch darum, dass Kinderärzte/Kinderärztinnen die richtigen Diagnosen etwa bei Herzfehlern schon im Vorfeld bekommen und die Frauen in den richtigen Krankenhäusern ihre Kinder zur Welt bringen.

Standard: Kritiker argumentieren, dass aus Angst vor einer Fehlbildung zu viele Schwangerschaften vorsorglich beendet werden.

Husslein: Dieses Argument kann ich absolut nicht nachvollziehen. Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 97 Absatz 2 können nicht in einzelnen Ordinationen stattfinden, sondern nur in fetal-medizinischen Zentren. Dazu kommt, dass die Ultraschallgeräte immer besser werden, sodass man immer mehr Probleme schon im ersten Drittel der Schwangerschaft entdecken kann, also innerhalb der Frist für die straffreie Abtreibung. Das nimmt einen Teil der Emotionalität weg. Was die Behindertenvertreter nicht verstehen wollen, ist, dass es überhaupt keine Diskrepanz ist zu sagen, Behinderte sollen unterstützt und versorgt werden, und trotzdem sollen Frauen die Wahlmöglichkeit haben. Ich habe viele Patientinnen, die ihr behindertes Kind über alles lieben, aber eine weitere Schwangerschaft beenden würden, wenn eine Behinderung vorliegt.

Standard: Rechnen Sie auch bei der Frage der Präimplantationsdiagnostik mit Bewegung?

Husslein: Zweifelsfrei. In einigen Jahren wird es die Präimplatationsdiagnostik in Österreich geben. Der Gesetzgeber verpflichtet Frauen derzeit, eine "Schwangerschaft auf Probe" einzugehen. Ich finde es sehr interessant, wie eine eigenartige Allianz aus katholischer Kirche und Grün-Alternativen die Präimplantationsdiagnostik verteufelt. Dazu muss man aber sagen, dass die Diagnose eines einzelnen Gendefektes oder einer Erbkrankheit sehr gut funktioniert. Was nicht geht, ist, sich den besten Embryo auszusuchen, um zum Beispiel die Erfolgsquote einer künstlichen Befruchtung zu steigern. Wichtig wäre für die Präimplantationsdiagnostik eine Reihe von flankierenden Rechtsvorschriften.

Standard: Den Vorwurf, dass sich Eltern dann Designerbabys aussuchen könnten, können sie also nicht nachvollziehen?

Husslein: Das ist ein Begriff, der falsche Vorstellungen induziert. Einen Embryo kann man nicht maßschneidern.

Standard: Können Sie sich auch Eizellenspenden vorstellen?

Husslein: Ja, auch das wird kommen. Eine künstliche Befruchtung funktioniert bei über 40-Jährigen nur in zehn Prozent aller Fälle, mit einer Eizellenspende wären es 60 Prozent. Die soziale Entwicklung hat die Lebenserwartung weit hinausgezogen, daher ist es nicht unvernünftig, auch die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, weiter hinausziehen. 50, unter gewissen Bedingungen 55 Jahre wäre für mich eine Grenze. Wir arbeiten daran, dass man die Eizellen oder ein Stück Eierstock einer zum Beispiel 20-jährigen Frau auf Eis legt, und sie kann sich dann mit 45 oder 50 ihre eigenen Eizellen abholen. Das wäre auch eine mögliche Lösung dieses unglaublichen Konflikts für viele Frauen, die zwischen Kindern und Beruf hin- und hergerissen sind.

(Die Fragen stellten Andrea Heigl und Bettina Fernsebner, DER STANDARD Printausgabe 5./6.2.2011)