Bild nicht mehr verfügbar.

Alliot-Marie (64) wegen einer Tunesien-Reise unter Druck.

Foto: EPA/IAN LANGSDON

Die höflichsten Pfeile sind die giftigsten. "Ich sage Ihnen in aller Freundschaft, Frau Alliot-Marie - treten Sie ab!", meinte ein grüner Abgeordneter der Pariser Nationalversammlung zur französischen Außenministerin. Doch Michèle Alliot-Marie zeigte keine Reaktion: Die 64-jährige Rechtsgaullistin bleibt im Amt, obwohl sie sich zum Jahreswechsel von einem Clan-Mitglied des gestürzten tunesischen Diktators Ben Ali hatte einladen lassen.

Ihre Ausreden sind ungeschickt, wie am Donnerstag sogar der regierungsnahe Figaro zugab. Die Ministerin erklärte, sie und ihr Lebenspartner hätten den Privatjet von Aziz Miled - sein Name taucht auf der Liste der in der Schweiz beschlagnahmten Ben-Ali-Bankkonten auf - "nur zwanzig Minuten" benützt. Die Hotelrechnung will sie selbst bezahlt haben, doch belegen kann sie dies nicht. "Ich habe mir dabei nichts Schlimmes gedacht", erwiderte sie auf eine Journalistenfrage, ob es denn angehe, dass sich eine Ministerin zu einem Privatflug einladen lasse.

Und dass die Außenministerin Frankreichs ausgerechnet in einer Ex-Kolonie Ferien macht, wo sich das Volk gerade gegen die Machtclique erhebt? Alliot-Marie stellte schlicht in Abrede, dass die Revolution über die Feiertage schon begonnen hatte. Das auslösende Moment, die Selbstverbrennung eines Straßenverkäufers, war jedoch schon am 17. Dezember geschehen und hatte umgehend schwere Krawalle ausgelöst.

Die französische Linke verlangt weiter den Rücktritt der Außenministerin. Nicolas Sarkozy stellt sich aber schützend vor sie. Nicht freiwillig: Dem Vernehmen nach ist der Präsident fuchsteufelswild über den neuen Fauxpas Alliot-Maries, die Ben Ali noch Anfang Jänner französische Polizeihilfe angeboten hatte.

Doch Sarkozy kann seine Chefdiplomatin nicht fallenlassen. Erstens, weil er sich als Präsident selbst schon auf die Milliardärsjacht eines Freundes hatte einladen lassen. Zweitens wäre der Rücktritt Alliot-Maries das Eingeständnis, dass sich die gesamte französische Diplomatie in Nordafrika schwer geirrt hatte. Paris verschlief die "Jasminrevolution" in Tunis, während US-Präsident Obama rasch den "Mut" der Tunesier pries. Und jetzt, wo dieser den Abgang Mubaraks verlangt, kanzelt Sarkozy seine Jugendministerin Jeannette Bougrab ab, die den ägyptischen Präsidenten ebenfalls zur Demission aufforderte. In Paris laufen die Wetten, wer zuerst gehen muss - Mubarak oder Alliot-Marie. (Stefan Brändle, STANDARD-Printausgabe, 04.02.2011)