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Droht Premier mit Klage: Georgi Parvanov.

Foto: EPA/VASSIL DONEV

Sofia/Istanbul - 53 ist ein etwas unglückliches Alter für einen Staatspräsidenten, dessen zweite und letzte Amtszeit sich ihrem Ende nähert. Georgi Parvanov hat zwar kürzlich einen dicken Band mit Bildern und Reden seiner ersten fünf Jahre an der Spitze des bulgarischen Staats vorgestellt (2002-2007).

Doch dass sich der Sozialist nach den Wahlen im kommenden Herbst auf das Altenteil zurückzieht und Memoiren schreibt, ist nicht vorgesehen. Parvanovs Ambitionen, so sagen politische Beobachter in dem Balkanland, erklären einen Gutteil der Spannungen und Skandale, die Bulgariens Innenpolitik in diesen Wochen prägen.

Es geht zum Beispiel um "Tanovgate", "Octopus" und "Misho Birata", "Mischo, das Bier", wie der Besitzer der Brauerei Ledenika, Mihail Mihov, genannt wird. Alle sind sie irgendwie in kompromittierende Telefongespräche verwickelt: der Chef der Zollbehörden Vanjo Tanov, der Ex-Agent Aleksej Petrov, dem der Name der Polizeirazzia "Octopus" anhaftet, bei der er festgenommen worden war, und eben "Mischo, das Bier". Für ihn soll sich Premier Boiko Borissov persönlich in einem Telefonat verwendet haben.

Vier dieser angeblich abgehörten Gespräche sind von dem Boulevardblatt Galeria unter das Volk gebracht worden. Ein Drahtzieher ist auch gefunden: "Präsident Georgi Parvanov steckt hinter dem Komplott gegen mich", behauptete Regierungschef Borissov. "Ich verstehe das. Er ist jung und will an der Macht bleiben."

Auch einen Monat, nachdem die ersten dieser Telefongespräche aufgetaucht sind, ist unklar, ob die Mitschnitte gefälscht sind. Sicher ist dagegen, dass sowohl der Leiter der Zollbehörden Tanov, Abgeordnete, der Finanzminister und selbst der Regierungschef abgehört wurden. Schockierend sei das Ausmaß dieser Abhöroperationen, sagt Assya Kavrakova vom Open Society Institute in Sofia. "Es erinnert uns sehr an die alten Tage. Der Unterschied ist nur, dass heute alles offen gemacht wird."

Parvanov hat dem Regierungschef eine Verleumdungsklage angedroht, sollte sich dieser nicht entschuldigen. Beide sind nicht zimperlich im Umgang miteinander. Der konservative, populistisch agierende Borissov baut sein Image auf die Figur des Saubermanns, der mit dem Erbe der angeblich korrupten Sozialisten der Vorgängerregierung aufräumt.

Parvanov ist Teil des sozialistischen Establishments und hat weit mehr Rückhalt in der Bevölkerung als der frühere Linkspremier Sergej Stanischev, der im Parlament die Opposition gegen Borissov anführt. Der wird im Herbst wohl seinen Innenminister Tsvetan Tsvetanov ins Rennen um das Präsidentenamt schicken. Einer erklärte sich diese Woche zum Kandidaten: Aleksej Petrov, der "Octopus". Er steht wegen der Ermittlungen zu seinen Mafia-Verbindungen unter Hausarrest. (Markus Bernath, STANDARD-Printausgabe, 04.02.2011)