airo/New York/Wien - Anhänger des politisch bedrängten ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak haben nach einem Bericht des Fernsehsenders Al-Arabiya am Donnerstag Hotels in Kairo gestürmt und Jagd auf ausländische Journalisten gemacht. Vom Regime werden ausländische Medien mit ihrer Berichterstattung für die Unruhen im Land beschuldigt.

Bereits in den vergangenen Tagen gerieten Reporter bei den blutigen Protesten auf den Straßen zwischen die Fronten und wurden verfolgt, angegriffen oder verhaftet. Einige verletzten sich und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. So wurde etwa auch die ORF-Korrespondentin Nadja Bernhard mit ihrem Kamerateam am Montag vorübergehend am Flughafen von Kairo festgenommen. Das Internationalen Presseinstitut (IPI) in Wien und Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilten diese Angriffe.

Kritik von IPI, ROG und DJV

Anthony Mills vom Internationalen Presseinstitut in Wien teilte mit: "Wir verurteilen diese Angriffe und fordern alle Parteien dazu auf, Gewalt gegen lokale und ausländische Journalisten zu unterlassen, die lediglich im Interesse der Öffentlichkeit versuchen, von den Demonstrationen und Zusammenstößen zu berichten". "Insbesondere sind wir über Hinweise besorgt, dass es bei den Angriffen möglicherweise Verbindungen zu den Sicherheitskräften gibt", sagte Mills weiter.

ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard bezeichnete die Angriffe als schockierend und forderte eine entschlossene Reaktion des Auslands. "Diese Angriffe scheinen Racheakte gegen internationale Medien zu sein, die die Forderungen der Demonstranten nach einem Rücktritt Mubaraks bermitteln."

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) betonte, die Journalisten an Ort und Stelle dürften an ihrer Berichterstattung nicht gehindert werden. "Journalisten sind kein Freiwild", sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken. 

ZDF überlegt Abzug

Die Situation in Kairo werde dramatischer, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Der deutsche Sender überlegt, die in Kairo arbeitenden Journalisten um Büroleiter Dietmar Ossenberg aus der Stadt abzuziehen. Der niederländische Sender Fox hat sich bereits zurückgezogen. Ossenberg war während des "heute-journals" am Mittwochabend von einem Laserstrahl fokussiert worden. "Als nächstes hätte der Schuss folgen können", sagte Frey.

Der ZDF-Chefredakteur sprach von "gezielten Angriffen auf Journalisten" aus den Reihen der Mubarak-Fraktion. Die Bedrohungen nähmen zu, den Kollegen werde Ausrüstung abgenommen, Kassetten würden entwendet. Dem Fernsehteam des Senders n-tv wurde ebenfalls zeitweise die Ausrüstung weggenommen. Eine auch für das ZDF arbeitende Journalistin kam in Kairo nach 20 Stunden wieder frei. Die Frau war am Mittwoch auf der Fahrt von Alexandria nach Kairo festgenommen und in einem Hochsicherheitstrakt festgesetzt worden.

ORF-Korrespondent:  "Blankes Chaos" in der Stadt

Wie ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary schilderte, haben Mubarak-Anhänger das Gebäude der Produktionsfirma, in die der ORF eingemietet ist, angegriffen. "Ein Trupp von zehn Schlägern hat versucht, einzudringen, das Militär ist aber eingeschritten." Die Studios seien noch kurz vor einem Live-Einstieg zu Mittag mit Stangen und Feuerlöschern verteidigt worden, berichtete El-Gawhary. "Die Innenstadt wird von Schlägern kontrolliert, die gezielt nach Journalisten suchen", sagte der ORF-Korrespondent. In der Nacht auf Donnerstag sei eine Mitarbeiterin des ORF-Büros attackiert worden, weil sie ein Stativ trug und so als Journalistin zu erkennen gewesen sei. El-Gawhary selbst entging einer Konfrontation nach eigenen Angaben deshalb, weil er einen ägyptischen Personalausweis vorweisen konnte und so nicht als ausländischer Reporter erkannt wurde.

Das ORF-Team hat nun die Scheiben des Büros mit Zeitungspapier abgeklebt, um zu verhindern, dass Schlägertrupps die redaktionelle Arbeit beobachten und erneute Angriffe starten. Wie lange man noch aus Kairo berichten könne, hänge von den weiteren Entwicklungen ab, sagte El-Gawhary. Die Nacht werde man wahrscheinlich im Büro verbringen, da das Hilton-Hotel, in dem das Team untergebracht war, von Mubarak-Anhängern gestürmt worden sei. Offenbar waren diese auf der Suche nach Journalisten. "Da können wir naturgemäß auch nicht mehr hin."

El-Gawhary sprach von "blankem Chaos" in der Stadt. "Wir müssen von Stunde zu Stunde weiterschauen und Überblick bewahren, wie es weitergeht. Ich weiß gar nicht, ob wir wegkämen, wenn wir wollten." Zumindest die Kommunikation ist weitgehend wieder hergestellt: Festnetzleitungen und Handy seien wieder aufgedreht, seit Mittwoch gebe es auch wieder Internet, sagte El-Gawhary, der seine Erlebnisse auch auf Social Networks berichtet.

Orter reist an

Die kurzzeitig festgenommene Nadja Bernhard wird nach Wien zurückfliegen, dafür reist Krisenreporter Fritz Orter an. Für ORF-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher gilt "als Maxime die Sicherheit der Mitarbeiter". Man habe ausschließlich Journalisten mit ausreichend Erfahrung in Krisengebieten in Ägypten stationiert. "Die haben genügend Know-how, wie sie auf sich aufpassen." Sehr hilfreich sei jedenfalls die Zusammenarbeit mit der österreichischen Botschaft, die den Kollegen mit Unterstützung zur Seite stehe.

Attackiert wurde auch "Kurier"-Reporterin Livia Klingl. Sie berichtete von Angriffen eines Mobs. Man habe ihr vorübergehend den Pass abgenommen und sie beschimpft. Erst als Soldaten dazugekommen seien, habe sich die Lage beruhigt.

 

Auf der Internetseite der belgischen Tageszeitung "Le Soir" wurde berichtet, dass einer ihrer Reporter am Mittwoch während der Berichterstattung über eine Pro-Mubarak-Demonstration geschlagen und von Unbekannten in einen Militärposten gebracht wurde. Von dort sei es ihm gelungen, seine Redaktion zu informieren. "Sie beschuldigen mich, ein Spion zu sein", zitierte ihn die Zeitung im Internet.

Mittlerweile bekämen die Gegner Mubaraks Angst mit Journalisten zu sprechen, sagte die Korrespondentin des US-Fernsehsenders CBS, Lara Logan. "Es ist das erste Mal seit einigen Tagen, dass wir spüren, was Diktatur wirklich bedeutet", so Logan. Zuvor war ein Kamerateam des Senders mit vorgehaltener Waffe zum Hotel zurück gebracht worden, als dieses den Versuch unternommen hatte, die Zusammenstöße zu filmen. Sie hätten das Hotel nur ohne Kamera wieder verlassen dürfen und seien ständig beobachtet worden, sagte sie.

Eine bedrohliche Situation erlebte auch ihre Kollegin vom US- Fernsehsender ABC, Christiane Amanpour. Diese versuchte einen Mubarak-Unterstützer zu interviewen, als sie von einer Gruppe junger Männer eingekreist wurde. Diese riefen: "Wir hassen Amerikaner" und "Geh' zur Hölle".

Opfer eines gewalttätigen Übergriffs wurden auch der CNN-Reporter Anderson Cooper sowie dessen Producer und Kameramann. Dabei wurden sie nicht nur geschlagen, die Angreifer versuchten auch, die Kamera zu zerstören. Ein ähnliches Schicksal erlitten ebenso zwei Reporter der Nachrichtenagentur AP.

Zwei Journalisten des kanadischen CBC-Netzwerks berichteten, dass sie von einem Mob eingekreist und verprügelt worden seien, bis die ägyptischen Streitkräfte sie in Sicherheit gebracht hätten. "Ohne sie wären wir vermutlich totgeschlagen worden", sagte der Reporter Jean-Francois Lepine.(APA/Reuters)