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Mittwochabend auf dem Tahrir-Platz: Regierungsgegner blockieren die Zufahrt, hinter der Menschenreihe steht ein Schützenpanzer

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Auf dem Tahrir-Platz im Zentrum Kairos kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern des ägyptischen Präsidenten.

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Mubarak-Anhänger auf Kamel greift Demonstranten an

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Brandsatz gegen Regierungsgegner

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Getroffener Armee-Panzer

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Kairo - Einen Tag nach friedlich verlaufenen Massenkundgebungen in Ägypten sind in Kairo gewalttätige Unruhen ausgebrochen: Organisierte Anhänger von Präsident Hosni Mubarak stürmten am Mittwoch mit Pferden und Kamelen den zentralen Tahrir-Platz und lieferten sich schwere Straßenschlachten mit Regimegegnern. Das ägyptische Militär schoss in die Luft und versuchte die Parteien zu trennen. Die Ausschreitungen dauerten allerdings bis in die Nacht an. Ein Arzt in einem nahe des Tahrir-Platzes errichteten Feldspital sprach von 1.500 Verletzen, der Gesundheitsminister von drei Toten.

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Sie sind schon Tausende und haben neuen Mut geschöpft. Am Tag neun der ägyptischen Proteste sind auch Mubaraks Anhänger in Kairo auf der Straße. "Mit unserer Seele und unserem Blut kämpfen wir für Mubarak" , lautet der Schlachtruf von etwa zwei Dutzend Männern, die vor dem Eingang zum Tahrir-Platz stehen. Es kommt zu hitzigen Wortgefechten und Rangeleien mit den Demonstranten. Einer steht ganz allein mit einem kleinen Plakat. "Wovon soll ich leben? Seit neun Tagen verdiene ich nichts. Die Demonstranten erhalten Geld, damit sie bei Kentucky Essen kaufen können" , sagt er wütend.

Mubaraks Anhänger sammeln sich an mehreren Punkten der Stadt. Ein Polizist rühmt sich, für die Organisation einer Gegendemonstration im Gebiet von Mohandissin verantwortlich zu sein. Die Ministerien haben ihre Mitarbeiter aufgefordert, sich auf den Straßen zu zeigen. Auf dem Tahrir-Platz greifen Demonstranten immer wieder Provokateure auf, die sie dem Militär übergeben. Von der euphorischen Volksfeststimmung des Vortages ist nichts mehr zu spüren. Manche drehen wieder um. Sie befürchten, es könnten "Baltagiya" darunter sein, die brutalen Schläger des Regimes, die etwa auch bei Wahlen eingesetzt werden, um Oppositionelle einzuschüchtern.

Ein Toter, Steine und Schüsse

Im Laufe des Nachmittags werden die Befürchtungen wahr. Die Sternmärsche der Pro-Mubarak-Demonstranten treffen auf dem Tahrir-Platz ein. Es kommt zu schweren Auseinandersetzungen. Steine fliegen, später auch Brandsätze, Schüsse fallen. Drei Menschen, darunter ein Armeerekrut kommen ums Leben, laut einem Arzt in einem nahe des Tahrir-Platzes errichteten Feldspital wurden 1.500 Menschen verletzt. Unter Mubaraks gewaltbereiten Anhängern haben viele Polizeiausweise.

Am Vorabend, dem Tag des Millionenprotestes, bekamen die Ägypter im Fernsehen einen Präsidenten zu sehen, der sich offensichtlich vom ersten Schock erholt hatte. Versprochen hat er, dass er im September nicht mehr zu den Wahlen antreten wird. Bis dahin will er die Geschäfte führen, die Verfassung ändern, um freie Präsidentschaftswahlen zu ermöglichen und die Wahlfälschungen aufzuklären.

Der 82-jährige Langzeitregent und das Regime spielen ganz offensichtlich auf Zeit. Mit den eigenen Anhängern auf der Straße demonstrieren sie Stärke und Zuversicht. Die Lockerung des Ausgehverbotes und die teilweise Wiederherstellung des Internets sollen Goodwill schaffen. Der Parlamentspräsident macht Tempo und fordert von Mubarak, die Verfassungsreformen in zwei Monaten durchzupeitschen.

Bevölkerung gespalten

Die Vorschläge des Präsidenten haben Bevölkerung und Demonstranten gespalten. Auf den Straßen finden sie viele gut. "Perfekt, er soll die Stabilität wieder herstellen, und im September kann er gehen" , meint ein Taxifahrer. Der Großteil der Demonstranten teilt diese Meinung nicht. "Mubarak, wir trauen dir nicht" , steht mehrfach auf den Transparenten. Dennoch gibt es zwei Gruppen. Die radikale Fraktion will, dass Mubarak, dessen neuer Vize und der neue Premier sofort zurücktreten und ein "Komitee der nationalen Rettung" an ihre Stelle tritt, um die Transformation zu gestalten.

Eine zweite Gruppe verlangt ebenfalls, dass Mubarak jetzt geht, könnte aber mit Vizepräsident Omar Suleiman als Übergangslösung bis zu den Wahlen leben. Noch lieber würden sie eine Zivilperson in dieser Rolle sehen, zum Beispiel den ehemaligen Außenminister und jetzigen Chef der arabischen Liga Amr Moussa. Zwölf Oppositionsgruppen haben sich zu Gesprächen mit Suleiman bereit erklärt. Alles deutet darauf hin, dass ein schnelles Ende der Revolte nicht in Sicht ist.  (red/Astrid Frefel aus Kairo/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2011)