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"Kunst statt Kompromiss" als Motto für seine letzte Jahresplanungskonferenz: Mak-Direktor Peter Noever, seit 1986 im Amt, ist längstdienender Museumschef Österreichs.

Foto: APA/Techt

Standard: Sie klingen verschnupft - Grippe? Oder Folge des heftigen Windes, der Ihnen in Ihrem letzten Jahr im Mak medial entgegenbläst?

Noever: Ich bin Gegenwind gewohnt, ob es sich um den Bau des Terrassenplateaus handelte oder um Ausstellungen wie die Otto Muehls oder Nordkoreas. Neue Perspektiven zu eröffnen begreife ich als ureigenste Aufgabe von Museen. Da fliegen Späne.

Standard: Einer dieser fliegenden Späne betrifft Geburtstagsfeste für Ihre Mutter im Mak. Nun sagt Michaela Hartig, Generalsekretärin der Mak Art Society und für Sponsoring zuständig, diese Feste hätten mehr Sponsoren gebracht als andere Veranstaltungen. Auch Erste-Bank-Chef Andreas Treichl, Mak-Kuratoriumsvorsitzender, verteidigt Sie: Man könne Ihnen vielleicht einiges vorwerfen, sicher nicht Spesenritterei. Sie hätten sogar Dienstflüge mitunter selber bezahlt. Warum haben Sie das nie zu Ihrer Verteidigung angeführt?

Noever: Weil ich lieber über das Programm und die Kunst reden möchte. Ich finde es lächerlich, wenn man mich fragt, ob ich womöglich einmal am 1. Mai, an meinem Geburtstag, in Los Angeles war. War ich nie, obwohl das auch kein Verbrechen wäre. Es ist erstaunlich, dass Menschen, die mich auf übelste Weise beschmutzen, am Programm, das wir hier machen, an der Kunst, nie Interesse gezeigt haben. Und wenn ich lese, dass ich zu sehr verwoben und verflochten bin mit dem Haus: Ja, natürlich! Ich habe hier ein Vierteljahrhundert verbracht, keine Acht-Stunden-Tage, sondern oft 15 Stunden und mehr, sieben Tage die Woche. Ich habe das geringste Gehalt aller Wiener Museumsdirektoren. Das hat mich nie so wahnsinnig interessiert - auch sonst niemanden. Dass nun die Geburtstagstorte meiner Mutter und nicht meine Museumsarbeit diskutiert wird, finde ich übertrieben. Um die Debatte zu beenden, habe ich den im Prüfungsbericht festgelegten Privatanteil bereits bezahlt - auch wenn ich nach wie vor überzeugt bin, dass diese Veranstaltungen dem Mak Vorteile gebracht haben.

Standard: Für Ihren Job sind im Ministerium 54 Bewerbungen eingegangen. Wissen Sie, von wem aller?

Noever: Nein. Ich habe seitens des Ministeriums nichts gehört. Ich weiß auch nicht, wer sich beworben hat.

Standard: Würden Sie bei Ihrer Nachfolge gern mitreden?

Noever: Unbedingt! Wie immer man es bewerten mag: So wie sich das Mak heute darstellt, ist es das Ergebnis einer 25-jährigen, sehr leidenschaftlichen Tätigkeit: nicht als Einzelleistung, sondern als Teamarbeit. Wir fahren ein intensives Programm, allein 2010 waren 60 Künstler in der Mak-Nite. Als einziges Museum haben wir einmal wöchentlich bis Mitternacht auf. Wien war, als ich begonnen habe, nicht der Nabel der Gegenwartskunst. Wir haben hier Pionierarbeit geleistet. Ohne Mitarbeiter, denen das auch ein Anliegen ist, wäre das nicht machbar. Ich bin überzeugt, im Ministerium wird man das Solitärhafte dieses Hauses berücksichtigen.

Standard: Was ist das Solitäre?

Noever: Es ist schwierig, in eigener Sache zu sprechen. Tatsache ist aber, dass ich im Ausland sehr viel Feedback hatte und habe. Da wird meine unbeirrbare Vorgangsweise geschätzt, die fast bedingungslose Hingabe zum Zeitgenössischen. Darum ist es mir seit meinem ersten Tag hier in diesem Haus gegangen; auch darum, unsere Sammlung durch einen zeitgenössischen Blick zu sehen.

Standard: Ihre erste Ausstellung galt Rudolf Schindler, in der Zwischenzeit wurde der Republik ein Schindler-Haus in Los Angeles geschenkt, ein zweites dem Mak testamentarisch vermacht.

Noever: So etwas kann man natürlich nicht am Reißbrett planen; diese Schenkungen passieren aufgrund persönlicher Kontakte und Netzwerke. Die Positionierung des Mak Center in L.A. ist keine x-beliebige Managemententscheidung, sondern eine subtile und sensible Angelegenheit. Unser Stipendiaten-Programm ist weltweit begehrt. Hier wurde nicht versucht, mit irgendwelchen Filialen oder Museumsbauten ein Imperium in die Welt zu setzen. Es ist es gelungen, sich mit relative bescheidenen Mitteln in die Kommune der Stadt einzuschreiben.

Standard: Erfolg misst sich auch an Besucherzahlen. Ihre sind zwar leicht gestiegen, aber im Vergleich etwa zur Albertina nicht wirklich umwerfend. Welche Strategien entwickeln Sie dagegen?

Noever: Die Quantität der Besucher sagt nichts über die Kunst aus! Das würde, umgelegt auf Medien, nämlich bedeuten, dass die Zeitung mit der größten Auflage das höchste Niveau hat. Bekanntlich ist es nicht so. Es ist Unsinn, die Albertina zum Maß aller Dinge zu machen, ebenso, die Mak-Programmatik über alle anderen Häuser zu stülpen. Doch bei den Kennziffern des Kulturbetriebes gibt es keinen Versuch, zu differenzieren.Die Spekulation mit der Quote ist das Ende jeder vernünftigen zukünftigen Kulturpolitik.

Standard: Warum gibt es in der großen Ausstellungshalle von Mai bis Dezember keine Ausstellungen?

Noever: Mangels Budgets! Wir machen ja keine Readymade-Blockbuster-Ausstellungen, die wir 1:1 günstig aus dem Ausland importieren. In der ausstellungsfreien Zeit finden hier unter anderem Designausstellungen statt, wir vermieten die Halle. Das ist Teil des privatwirtschaftlichen Einkommens; das betrifft ja alle Bundesmuseen: Seit zehn Jahren hat es keine Indexierung gegeben. Unsere Mieten an die bundeseigenen Institutionen sind natürlich indexiert, das Budget hat sich de facto trotz der Erhöhung vor zwei Jahren wesentlich verkleinert. Das Ankaufsbudget ist, abgesehen von der Galerienförderung, überhaupt null, das Ausstellungsbudget stark reduziert. Das ist nicht Sache eines einzelnen Ministers, sondern, welchen Stellenwert ein Staat der Kunst einräumt.

Standard: Ist es anderswo anders?

Noever: Nehmen Sie das Centre Pompidou, das sich im Übermaß schmerzhaft in die Eingeweide der Stadt gebohrt hat. In Wien glaubt man, ohne architektonische Verwundungen durchzukommen. Beispiel baufälliges Parlament. Die Ringstraße lebt von den unterschiedlichsten Architekturstilen. Nun könnte man die drei weltbesten Architekten zu einem Wettbewerb einladen und sagen: Wir wollen eine demokratische Einrichtung der Jetztzeit baulich manifestieren. Doch dazu sind Politiker nicht imstande. Oder: Wenn Wissenschaft, Kunst und Forschung wirklich politische Anliegen wäre, müsste es dezentrale nichtkommerzielle Einrichtungen geben, Funds, Stiftungen. Stattdessen schließt man außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

Standard: Wie werden Sie - aus heutiger Sicht - gehen: mit Wehmut? Im Gram?

Noever: Ich bin nicht nachtragend. Aber dass Menschen versuchen, andere fertigzumachen: Das ist für mich unverständlich - und es ist das Gegenmodell zur Kunst. Ich kennen keinen Künstler, der Krieg führen möchte. (Andrea Schurian/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 1. 2011)

--> Kompromisslose Ausstellungen: Peter Noevers Programm für sein letztes Jahr

Kompromisslose Ausstellungen: Peter Noevers Programm für sein letztes Jahr

Wien - Peter Noever, seit 1986 Direktor des Mak, hat Ende Dezember in Pension zu gehen. Dementsprechend gerührt war er bei seiner allerletzten Jahrespressekonferenz, die er unter das Motto "Kunst statt Kompromiss" stellte.

Gleich zu Beginn nahm er zu den "Querschüssen" der letzten Zeit Stellung: Laut Bericht der Wirtschaftsprüfer PWC habe es bei einem "Großteil der erhobenen Vorwürfe keinen Grund für Beanstandungen ergeben". Ungeachtet seiner Meinung, dass die Geburtstagsfeiern seiner Mutter im Sinne des Mak gewesen seien, habe er seinen "Vermietungsanteil" bereits überwiesen. Da es "Mischveranstaltungen" gewesen wären, hatte PWC angeregt, dass Noever 10.870 Euro, also die Hälfte der üblichen Mietkosten, privat zahlt.

In der Schausammlung Gegenwartskunst stehen zwei Künstler im Fokus: Erwin Wurm (22. 3. - 4. 9.) und Walter Pichler (ab 27. 9.). Die Mak-Ausstellungshalle steht nach Ende der Personale Eva Schlegel (bis 1. 5.) sieben Monate leer. Ab 7. 12. wird Ex-Modeschöpfer Helmut Lang als Künstler präsentiert. Als Grund für die Schließzeit nannte Noever die fehlenden Mittel: Seit 2000 habe es keine Indexierung gegeben. Laut Kulturbericht stieg die Basisabgeltung zwischen 2000 und 2009 allerdings von 8,14 auf 9,6 Millionen Euro.

Zudem gebe es keine "abgetakelten Ausstellungen". Im ersten Stock zeigt er daher ab 22. 6. Rudolf Steiner - Die Alchemie des Alltags, eine Schau des Vitra Design Museums - als vierte Station nach Wolfsburg und Stuttgart. (trenk/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 1. 2011)