Sängerin Magdalena Kozená lebt gern in Berlin: "Man ist in 20 Minuten am See und schwimmt."

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Ein Gespräch über Berlin, CD-Geschäfte und schulpflichtige Söhne.

Wien – Was sie so an CDs verkauft, kann Magdalena Kozená jetzt auf die Schnelle nicht sagen. "Popkünstler würden über die Zahlen, die in der Klassik als Erfolg gelten, sicher lachen. Für Klassikverhältnisse dürften meine Verkäufe jedoch ganz gut sein – bisher mache ich die Deutsche Grammofon ja offensichtlich glücklich." Dass es im Laufe der letzten Jahre nicht leichter geworden ist, Firmenglück und Künstlerwürde zu vereinen, ist allerdings auch klar.

"Ich bin nun seit ungefähr elf Jahren bei der DG, und man merkt an jeder Kleinigkeit, wie schwer das Geschäft geworden ist und wie wenig Geld da ist. Integrale Opernaufnahmen werden nicht mehr gemacht, es gibt viele Crossoverprojekte. Man hat aber nie versucht, mich in so etwas hineinzudrängen. Sie wissen, wer ich bin und was mich ausmacht. Ich veröffentliche etwa eine Solo-CD pro Jahr – und dabei durchaus auch Unkommerzielles."

Einer gewissen Zugänglichkeit verschließt sich natürlich auch Kozená nicht. Ihr neuestes Album ist eine thematisch bekömmliche Anthologie alter Liebeslieder (Lettere Amorose), die auch "Leute fern der Klassik ansprechen kann. Es ist kein Projekt, das der Firma Sorgen bereiten müsste." Und durchaus bewusst wird die CD-Veröffentlichung an eine Tournee mit eben diesem Repertoire gekoppelt – auch kein Nachteil bezüglich der Verkaufsziffern.

Freiheit der Ornamente

Dass sich im Zuge der ständigen konzertanten Wiederbegegnung mit dem eingespielten Liebesrepertoire Fadesse einstellen könnte, bestreitet die Tschechische Mezzosopranistin (Jahrgang 1973). Immerhin böten die Miniaturen eine gewisse Gestaltungsfreiheit ("Ich kann die Ornamentik jederzeit verändern"), und da wären noch Pierre Pitzl und sein Ensemble Private Musicke:

"Die sind ein wenig wie Jazzmusiker. Pierre komme immer wieder mit Vorschlägen, die Arrangements zu verbessern. Und die Musiker gehen ihren Vorstellungen spontan nach – natürlich auf der Basis vorliegender Noten. Dieses Repertoire ist aber flexibel, was Dynamik und Tempo anbelangt. Außerdem wechselt auch die Ensemblebesetzung im Laufe der Tournee."

Natürlich gab es auch vor dem Gang ins Aufnahmestudio Amorose-Konzerte: "Das finde ich extrem wichtig. Wie viel man auch probt und sich vorbereitet – man wird dabei nie die Livespannung aufbauen können, die nötig ist, um das Material wirklich zu begreifen. Live entdeckt man Dinge, die bei Proben nicht zum Vorschein kommen. Im Studio muss man dann mithilfe der Erinnerung an die Konzertsituation gewisse Dinge abzurufen versuchen. Nicht leicht, aber es geht."

Abseits des aktuellen Projekts mit Werken von Monteverdi, Caccini, Sanz und anderen ist Kozená, die bei den Salzburger Festspielen über die Jahre als Mozart-Interpretin präsent war, auch in Sachen Oper aktiv. An der Wiener Staatsoper wird sie 2012 in Clemenza zu hören sein. Und auch in Salzburg gibt es ein Wiedersehen.

Zu viel Oper wird es jedoch wohl nicht geben. Kozená, die mit dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle, verheiratet ist: "Bisher konnte ich meine beiden Kinder immer mitnehmen; mein älterer Sohn kommt aber im September in die Schule, dadurch wird es schwieriger, unterwegs zu sein. Einer von uns beiden, ich oder mein Mann, wird, wenn der andere unterwegs ist, immer in Berlin bleiben müssen." Berlin? "Tolle, weltoffene Stadt. Für einen Naturtypen wie mich ist Berlin ein netter Kompromiss. Man ist in 20 Minuten am See und schwimmt."(Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Printausgabe, 2. 1. 2011)