Wien - Der aktuelle Stand der Besprechungen lässt den Verdacht aufkeimen: Amy Chuas Die Mutter des Erfolgs ist derzeit zwar eines der meistbesprochenen, gleichzeitig eines der am seltensten gelesenen Bücher. Sonst könnte es nämlich nicht so fundamental als Erziehungsratgeber und Hohelied auf die "chinesischeMutter" missverstanden werden. Da schreiben ironieresistente Rezensenten emsig voneinander ab, immer dieselben Zitate, immer aus dem Zusammenhang gerissen - etwa jenes, dass eine der Töchter bereits mit drei Sartre in englischer Übersetzung gelesen habe.

Nun wäre die (selbst)ironische Übertreibung aber rasch entschlüsselt, gäbe man den Satz vollständig wieder: Das Kind habe auch schon einfache Aufgaben der Mengenlehre und einhundert chinesische Schriftzeichen gekonnt. In Klammern fügt Chua die väterliche Realeinschätzung hinzu: "Sie erkannte die Wörter ‚No exit‘ und konnte zwei einander überschneidende Kreise zeichnen ..."

Die Juraprofessorin schildert auch ihre eigene widerständige, gar nicht geradlinige Karriere, ihre Misserfolge, ihren Frust über den geplanten Monumentalroman, den ihr andere Chinesinnen vor der Nase wegschrieben. Lustvoll überzeichnend, ausgestattet mit einer gehörigen Portion Wortwitz: Amy Chua ist die akademisch gebildete Schwester im Geiste von Lois, der Mutter des Unterschicht-Genies Malcolm.

Vielleicht kopieren Instantrezensenten künftig eher Zitate vom Buchende. Da sagt die Tochter: "Klasse, Ma, sehr witzig, ich weiß bloß nicht, über wen du schreibst - unsere Familie jedenfalls nicht."(Andrea Schurian, DER STANDARD-Printausgabe, 1.2.2011)